Ermittlungen im Drogenmilieu von Oslo

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Für Eltern ist es immer eine der größten Ängste, dass die Kinder ins Drogenmilieu abrutschen könnten. Diese Ur-Angst nimmt Nesbø in diesem Krimi auf. Er lässt seinen Helden Harry Hole diese schlimmste Qual durchleben: Nachdem Hole, ein typischer Anti-Held bei der Osloer Polizei beruflich gescheitert und nach Bangkok ausgewandert ist, muss er nach 3 Jahren erfahren, dass sein Sohn Oleg in Untersuchungshaft sitzt, weil es für einen Mord an einem jungen Drogendealer angeklagt wird. Hole kehrt nach Oslo zurück und versucht Olegs Unschuld zu beweisen. Ein erstes eingehendes Studium der Ermittlungsakten entmutigt ihn jedoch, weil alle Indizien gegen Oleg sprechen. Erst als er Oleg besser kennen lernt und dieser ihn „Papa“ nennt, schmilzt die harte Schale dahin und Harry stürzt sich im Alleingang in die Ermittlungen. Dabei helfen ihm Kontakte aus seiner Zeit bei der Polizei, derer er sich teilweise schon fast skrupellos bedient.

Harry Hole ist eine sehr ambivalente Figur. Einerseits verspürt er Liebe und Verantwortung gegenüber seinem Sohn und seiner großen Liebe Rakel, Olegs Mutter. Auf die andere Seite wendet er Tricks an, droht und erpresst gnadenlos, um an sein Ziel zu kommen. Etwas übertrieben fand ich, dass er praktisch „unkaputtbar“ mit lebensgefährlichen Verletzungen noch immense körperliche und mentale Leistungen vollbringt.

Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt. Während die gegenwärtige Haupthandlung aus Harry Holes Perspektive von einem allwissenden Erzähler dargeboten wird, stellt ein anderer Strang einen inneren Monolog des sterbenden Gustos dar, des Drogendealers der angeblich von Oleg erschossen wurde. Im Hörbuch ist das sehr schön dargestellt, in dem die Haupthandlung von Achim Buch gelesen wird und Gustos Einschübe von Rafael Stachowiak, der sie mit seiner jungen, zerbrechlich wirkenden Stimme wunderbar gefühlvoll interpretiert.

Anfangs war ich durch die beiden Erzählstränge etwas verwirrt, doch im Laufe der Handlung finden sie immer mehr zueinander und ergänzen sich. Dabei ist der Schluss, wenn die Kirchenglocken ausklingen auf gefühlvolle und geschickte Weise, zumindest teilweise offen gelassen. Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten.

Was mir besonders gefällt an diesem intelligent aufgebauten Krimi ist der gesellschaftskritische Aspekt. Neben Einblicken in die Drogenszene, wird man konfrontiert mit Verrat, Korruption in Polizeikreisen aber auch bis in die höheren Kreise der Politik.

Für sensiblere Leser würde ich den Krimi nicht unbedingt als Bettlektüre empfehlen. Es mangelt nicht gerade an tragischen Todesfällen, dennoch würde ich ihn nicht zu den blutrünstigeren zählen.

Für mich war „Die Larve“ das erste Buch der Harry Hole Reihe. Ich hatte aber keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Die vereinzelten Rückblenden sind klar erklärt, mir fehlte somit nichts an Vorwissen.