Enttäuschend auf ganzer Linie.

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wedma Avatar

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Kurz gesagt: Kann man getrost vergessen.
Nach der Leseprobe entstand der Eindruck, es wird ein süffiger Schmöker, der die Sommerpause besser überbrücken lässt. Leider ist es etwas ganz anderes geworden.
Nach dem ersten Drittel fing ich an, mich zu fragen, warum ich das bitte überhaupt lese. Es war so langatmig, u.a. dank der ständigen Stoffwiederholungen. Die Spannung fehlte komplett, auch weil man schon am Anfang wusste, wie das Ganze am Ende aussah. Zudem gab es keine Figur, die mitreißen würde, mit der ich durch diesen Roman hätte gehen können: Alles kaputte, missbrauchte, verlorene Existenzen, die sich durchs Leben wurschteln, ob Konstantin, der als Hauptfigur in der Gegenwart einen mit seinem trostlosen Leben zu Tode langweilt oder auch Elena aus dem Erzählstrang, der in der Vergangenheit angesiedelt ist. Als sie junge war, machte sie eine gute Partie mit einem deutschen Fabrikantensohn, litt aber unter Lieblosigkeit uvm. in ihrem Familienleben. Sie war ebenso passiv, als Opfer ihrer Zeit dargestellt, das Ganze trostlos ohne Ende. Konstantin, ihr Enkel, ist ein erfolgloser Autor, der sein Thema nicht findet. Das kann man breiter verstehen. Wie es aussieht, findet er sich selbst in seinem Leben nicht. Eine blasse, uninteressante Gestalt, ein Möchte-gern-kann-nicht-so recht. Er geht jeden Tag seinen Vater besuchen, der an Demenz leidet und von der Mutter ins Heim abgeschoben wurde. Diese Szenen, die das Verhalten des alten, kranken Mannes bildhaft an den Leser tragen, lassen die Geschichte noch trostloser erscheinen. Demente kenne ich persönlich. Das ist nicht lustig. Dass man versucht, auf Kosten dieser kranken Menschen sich interessant zu machen, ist schon ein starkes Stück. In zig Wiederholungen des Gleichen wurden die Leser mit Bildern dieser Krankheit gequält. Dieses Thema ist gnadenlos überzeichnet, wie so vieles in diesem Buch. Viele Figuren kommen geradezu grotesk überzeichnet rüber.
Ich bin hoffnungsfroh gestartet. Spannende Familiengeschichten lese ich sehr gern. Aber je weiter ich hier las, desto öfter dachte ich ans Abbrechen. Diese Ausweglosigkeit, die Verlorenheit irgendwo im Leben, ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, Passivität, Schwermut, Leid, Elend, oft seelischer Natur waren einfach zu viel „des Guten“.
Auch diese Art zu erzählen fing an nach ca. 200 Seiten zu nerven. Die Geschichte ist von hinten nach vorne erzählt worden. Man weiß, wie gesagt, das Ende vom Anfang an und liest die Vergangenheit in Stücken im Wechsel mit den Bildern der trost- wie sinnlosen Gegenwart. Auch dieses Abgehackte der Sätze, der Satzbau insg. brachten mir keine Freude. So schreibt einer, der das Schreiben literarischer Texte nicht gewohnt ist. Recht unbeholfen kamen seine Bemühungen rüber. Ich wurde geradezu erschlagen durch Überzeichnungen und Wiederholungen des bereits paarmal Erzählten.
Das machte echt keinen Spaß. Hinzu kamen geradezu peinliche Sachfehler, frei nach dem Motto, sieht eh keiner. So einen Umgang mit dem Leser schätze ich gar nicht.
Und als Tüpfelchen auf dem i wurde in der Mitte eine gehörige Portion Russophobie serviert, in Bildern, damit diese auf dem direkten Wege an die Emotionen der Leser appellieren und das Feindbild Russland in den Köpfen der Leser verfestigen. Da sind „die Richtigen“. Kennen das Land und Leute vom Hörensagen, oft aus dem Munde der Russlandhasser, sind aber ohne Skrupel bereit, antirussische Propaganda zu betreiben. Eigentlich ein Klischee. Aber traurig genug. Lesen Sie mal z.B. „Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung“ von Hannes Hofbauer oder auch „Der Krieg vor dem Krieg“ von Ulrich Teusch uva. Da wird Ihnen klar, warum dies heute gemacht wird. Keine schönen Gründe.
In der Mitte war meine Geduld am Ende. Ich wollte aber nicht so schnell aufgeben und beschloss, eine Pause einzulegen. Paar Sachbücher gelesen, einen sehr gekonnt geschriebenen Roman gehört. Zurück zu diesem Buch. Paar Seiten gelesen, und das hat gereicht. Ich wollte das Ding nie wieder in die Hand nehmen.
Aber ich habe es mir angetan. Doch zu Ende gelesen. Hpts. deshalb, weil das Verfassen einer Rezension impliziert, dass man das Werk vollständig kennt. Am Ende habe ich mir vom ganzen Herzen gewünscht, ich hätte es nie angefasst. Oder zumindest in der Mitte, wie vorgehabt, es einfach sein gelassen. Schade ist mir nicht nur um die schöne Lesezeit, die ich mit einem besseren Buch hätte verbringen können.
Mir war, als hätte man mich eimerweise mit seelischem Dreck zugeschüttet. Ich hatte während der gesamten Länge üble Laune und musste mich stellenweise regelrecht ekeln, vor allem vor der Sicht der Dinge des werten Autors, wie er diese in Szene setzt, auch vor der Art der Darstellung und seiner „Kunstfertigkeit“ insgesamt.
Nach der letzten Seite wollte ich mich kräftig schütteln und so schnell wie möglich dieses „tolle“ Leseerlebnis aus meinem Gedächtnis ausradieren. So viel Negativität, Trost- und Ausweglosigkeit, Opferrolle, Passivität der Figuren, seelischer Kälte, Egoismus usw., die mir von den Seiten entgegengeschwappt haben!

Fazit: Das Leben ist zu kurz, um sich so etwas anzutun. Pure Zeitverschwendung, sich durch solche Werke zu quälen, die weder etwas Neues zu sagen haben noch durch die Figuren oder Schreibstil oder eine spannende Geschichte oder noch sonst wie überzeugen können. Es gab nicht viel zu sagen, aber daraus wurde ein 617 Seitiges Wälzer mehr schlecht als recht zusammengebastelt, der selbst um ein Sommerloch zu stopfen zu schwach ist. Altpapiertonne ist ein perfekt passender Ort für dieses Erzeugnis.