Die Borgia: Das Ende einer Ära

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Rezension: „Die letzte Borgia“ – Sarah Dunant

Erscheinungsdatum: 15.01.2018

Verlag: Insel

Buchart: Klappenbroschur

Preis: 14,95 Euro

Seitenzahl: 500

Genre: Historischer Roman

Inhalt

Es handelt sich bei dem Roman „Die letzte Borgia“ von Sarah Dunant um den zweiten Teil einer Dilogie. Während der erste Teil versucht die Jahre 1492-1501 im Leben der Borgia zu beleuchten (Rodrigo Borgia wird zum Papst gewählt – Lucrezias dritte Ehe wird arrangiert), so setzt der zweite Teil inhaltlich kurz danach im Jahre 1502 ein:
Lucrezia Borgia ist auf dem Weg nach Ferrara, um dort die Ehe mit dem Erbprinzen Alfonso d’Este einzugehen. Es ist für sie bereits die dritte Ehe. Die Trauer über den Verlust des geliebten zweiten Ehemannes, der auf brutale Weise ermordet wurde, sitzt noch tief. Doch ihr Schicksal wird von Vater, dem Papst Alexander VI., und Bruder Cesare bestimmt, die sie zur Schachfigur im politischen Ränkespiel machen, um ihre Macht in Italien zu sichern und den Namen Borgia zu erhalten. Sich ihrer Position im Machtgefüge und der damit einhergehenden Aufgabe bewusst, strandet Lucrezia in Ferrara, bereit, jede Herausforderung anzunehmen: So nimmt sie es mit der „buckeligen Verwandtschaft“ ihres Ehemannes auf, stellt sich einem fremden Hofstaat, dessen Gerüchteküche bis zum Überlaufen brodelt und verdrängt ihr Heimweh, fest entschlossen, die größte und prunkvollste höfische Gesellschaft zu etablieren, die Ferrara je gesehen hat und einer Borgia gerecht wird. Lediglich die Geburt eines Erben und die damit verbundene Sicherung ihrer Position am Hof von Ferrara bringt sie an die Grenzen ihrer Kräfte. Doch könnte eine Borgia daran scheitern?
Währenddessen in Rom: Der Papst ist alt geworden. Seine körperlichen Beschwerden nehmen zu, sein geistiges Fassungsvermögen nimmt ab. Auch die Distanz zu seiner geliebten Tochter macht ihm psychisch schwer zu schaffen. Hinzukommt, dass sein Sohn Cesare, der darauf versessen ist, das Imperium der Borgia mit allen Mitteln auszuweiten, immer häufiger die Würde und Autorität des Papstes untergräbt, indem er im Alleingang Entscheidungen trifft, die ihm nicht zustehen. Der Papst beginnt zunehmend sein Leben im Blick auf sein Ende hin zu reflektieren. Was war, was ist und vor allem, was wird aus den Sprösslingen des Papstes, wenn dieser seine schützende Hand nicht mehr länger über sie halten kann?
Cesare Borgia, von der Syphilis gezeichnet, will nicht länger nur der Bastard des Papstes sein, sondern selbst aktiv Geschichte schreiben und schreckt vor keiner Gräueltat, keinem Aufstand, keinem Vertrauensbruch zurück. Ohne Rücksicht auf die Autorität des päpstlichen Vaters versetzt er ganz Italien nicht nur in Angst und Schrecken, sondern auch aufgrund seiner geschickt gelegten Finten und gut durchdachten Strategien ins Staunen. Nur eine Frau bringt die nach außen so hart wirkende Fassade zum Schmelzen - schwierig wird es nur, wenn diese Person ausgerechnet die eigene Schwester ist.
Und dann wäre da noch Niccolò Machiavelli, der Staatssekretär der Republik Florenz, der 1502 auf Dienstreise nach Urbino geschickt wird, um dort Informationen über Cesare Borgia zu sammeln, die dessen Aufstand gegen die florentinische Herrschaft noch rechtzeitig abwenden können. Als die beiden Männer aufeinandertreffen, ist Machiavelli zunehmend fasziniert von dem resoluten Feldhauptmann. Könnte er es sein, der Italien wieder eint und zu altem Ruhm zurückführt?

Schreibstil

Der Schreibstil von Sarah Dunant hat mich bereits im ersten Teil „Der Palast der Borgia“ in seinen Bann gezogen. Sie lässt den Leser auch im zweiten Teil wieder tief in die Welt der Familie Borgia eintauchen und ist nah an den Charakteren, ihren Herausforderungen, Problem & Erfolgen und bettet diese gekonnt in ihren historischen Kontext ein, setzt aber somit auch voraus, dass man bereits gute Kenntnisse der italienischen Geschichte hat und so die politischen und kirchlichen Machtkämpfe der damaligen Zeit einzuordnen weiß.
Inhaltlich jedoch erreicht die Geschichte im Blick auf die gesamte Familienhistorie der Borgia ihren Tiefpunkt: Es geht langsam bergab, quasi dem Ende entgegen. Zeichen des Verfalls werden für den Leser sichtbar. Die Geschichte verliert an Esprit, das Lesen wird zäh und man stellt sich die Frage, hätte es eines zweiten Romans überhaupt noch bedurft?

Fazit

Ich würde den Roman vor allem denen empfehlen, die bereits den ersten Teil von Sarah Dunant gelesen und sich auf eine Fortsetzung der Geschichte rund um die Borgia gefreut haben. Ohne den ersten Teil lässt sich das Phänomen ihres Aufstiegs, ihres Einflusses und letztendlich ihres ausschleichenden Niedergangs nur schwer nachvollziehen, wenn man keinerlei Vorwissen besitzt. Wo der erste Teil mit Spannung und Handlungsfülle beim Leser punkten konnte, da wirkt der zweite Teil oft langweilig und zäh, weil er sich an einigen Stellen zu sehr auf die politische Ebene konzentriert.
Wenn man an historischen Fakten interessiert ist und den Auf- und Abstieg der Borgia in Gänze verstehen will, so lohnt es sich durchaus, den Roman von Sarah Dunant zur Hand zu nehmen. Man lernt komplizierte Machtverhältnisse verstehen und ist dabei wie es ein spanischer Emporkömmling, trotz einer Fülle an politischen Feinden, schafft, sich über Jahre nicht allein die Papstwürde, sondern auch mithilfe seiner unehelichen Kinder ein weites Herrschaftsgebiet zu sichern. Die beiden Romane von Sarah Dunant müssen somit als Gesamtwerk betrachtet werden, die dem Leser nur in ihrer Einheit ein stimmiges Gesamtbild vermitteln können.
Sucht man als Leser jedoch einen historischen Roman zur einfachen Zerstreuung, wird man an diesem Werk wahrscheinlich eher wenig Freude haben.