Ihrer Kindheit beraubt

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mastar Avatar

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Das Cover von "Die Leute die sie vorüber gehen sahen" zeigt eine Kinderzeichnung. Die Farbe pink vermittelt etwas Fröhliches und etwas ganz anderes, als diese ernste und traurige Geschichte von Sal. Ohne Vorwarnung schmeißt Scott Bradfield den Leser ins Geschehen: die dreijährige Sal wird von einem Techniker von zu Hause entführt und muss diesen fortan "Daddy" nennen. Beängstigend finde ich, dass sich Sal einfach so ihrem Schicksal ergibt. Der neue Daddy kann ihr nichts bieten, ist nicht liebevoll und behandelt sie eher wie eine Erwachsene als wie ein Kind. Doch das neue Heim ist nicht von Dauer und ihr Daddy verschwindet eines morgens. Von da an beginnt eine unglaubliche Reise für Sal: sie lernt die verschiedendsten Leute kennen, die sie ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Manche meinen es gut mit ihr, andere wiederrum nicht. Einer möchte sie als Frau nehmen, eine sieht sie als Erlöserin... Egal in welche Rolle Sal schlüpfen muss, ihre Gedanken und Überlegungen überraschen den Leser immer wieder und regen ihn selbst an, über den Sinn mancher Dinge nachzudenken.
Das Buch selbst ist einfach und verständlich geschrieben. Jedoch stören mich persönlich die zum Teil großen Zeitsprünge zwischen den Kapiteln, in denen der Leser nicht immer vollständig folgen kann und nie ganz erfährt, was sich in der Zwischenzeit abgespielt hat. Das lässt dem Leser zwar viel Raum für eigene Gedanken und eigene Interpretationen, lässt mich jedoch unbefriedigt zurück. Ich will doch wissen was wikrlich mit dem armen kleinen Mädchen geschehen ist und mir nicht selber das Schlimmste ausmalen, nur weil ab und an zweideutige Sätze wie beispielsweise "manchmal habe ich die Wahrheit gesagt, manchmal nicht" in dem Buch vorkommen. Etwas gewöhnungsbedürftig finde ich auch die zum Teil langen Monologe. Ob es von Erwachsenen ist, die Sal einfach ihre Geschichte erzählen, oder von Sal selber, von der man so manche Lebensweisheit lernen kann.
Prinzipiell ist das Buch schon ein gesellschaftskritischer Roman, der aufzeigt, wie Ich-bezogen und realitätsfern manche Menschen sind. Er zeigt die Abgründe der menschlichen Seele auf und die Stärke eines kleinen Mädchens.
Sal als literarisches Stilmittel ist dem Autor durchaus gelungen. Nur das "Happy End" sehe ich nicht als solches. So lässt es doch einige Fragen ungeklärt. Eventuell als mögliche Fortsetzung der Geschichte?...