Virgina Woolf und ihre Zeit

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Den Auftakt der dreiteiligen Saga über das Leben einzelner bedeutender Mitglieder der Bloomsbury Group bildet der erste Roman "Die Liebenden von Bloomsbury", der vom Leben der Schriftstellerin Virgina Woolf und ihrer Schwester Vanessa Bell, einer Malerin, und ihrem sich regelmäßig treffenden Zirkel von Cambridge Absolventen, handelt. Obwohl der Untertitel des Buches darauf verweist man dürfe erwarten der Fokus liege hier hauptsächlich auf den biografischen Ereignissen der Virginia Woolf, so sind es doch die Schwestern und ihr enges Beziehungsgefüge, die den Kern der Geschichte bilden. Da es sich um eine fiktive Nachzeichnung möglicher biografischer Ereignisse anhand von fundierter Recherche seitens der Autorin handelt, haben wir es hier nicht mit einem Roman zu tun, der spannungsgeladenen Ereignissen entgegen sehnt, sondern mit dem gelungenen Versuch das damalige Leben am Ende des viktorianischen Zeitalters nachzuzeichnen. Die Sehnsucht der jungen Frauen nach Selbstbestimmung und Berufung tritt deutlich zutage.

Virginias Rolle ist die einer zerbrechlichen Frau, die psychisch instabil auf sich achten muss, ansonsten vor Empfindsamkeit nur so strotzt, eloquent und eitel auftritt, süchtig danach ist geliebt zu werden-besonders von ihrer Schwester Vanessa. Diese Liebe ist so inniglich inszeniert, dass ich mich gefragt habe, wie weit sie ging. Als ihr Schwager seine Liebe zu ihr entdeckt, ist sie unter ihren Gefühlswirren bereit ihr eigenes künstlerisches Schaffen von ihm infrage stellen zu lassen, was zeigt wie sehr sie um Anerkennung bemüht war und wie groß die Selbstzweifel an ihren Fähigkeiten waren, siehe dazu S.427 und 428.

Die Lebendigkeit dieser Geschichte zeichnet sich durch eine sehr hohe Dialogdichte aus, einer äußerst bildreichen Sprache, die sogleich einen inneren Film vor dem geistigen Auge ablaufen lässt, was mich mehr als gut unterhalten hat. Die Charaktere wirken authentisch. Sehr wichtig ist die Rolle des Clives, der zu Studienzeiten in Paris war und uns erst als weltoffener, gebildeter junger Mann begegnet, der die schöne Vanessa heiratet und später auch Gefallen an der geistreichen Virginia findet. Sein Hobby, die Jagd, pflegt er auch in Bezug auf Frauen. Er braucht ungeteilte Aufmerksamkeit, davon hängt seine Zuneigung maßgeblich ab. Plötzlich fühlt er sich von der Intelligenz Virginias angezogen, denn sie schreibt ihm regelmäßig Briefe, zu einer Zeit, in der seine Frau sich ausschließlich um den Nachwuchs und später um ihre Malerei kümmert. Doch genau was er anscheinend anziehend findet, macht ihm insgeheim auch Angst, genau wie die Suffragetten, die vehement das Frauenwahlrecht fordern und die Virginia bitte nicht in ihrem Roman "Melymbrosia" erwähnen soll. Die geistig unabhängigen Schwestern bräuchten ihn eigentlich beide nicht.

Im Nachwort schreibt die Autorin selbst, dass es inhaltlich bei den Treffen der Bloomsburies um Philosophie, Literatur und Kunst gegangen sei. Das wiederum musste im Roman dem ständigem Gerede von Sex und gleichgeschlechtlicher Liebe weichen, wohl als Merkmal sich gerade in dieser Hinsicht befreien zu wollen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, nur weil man endlich vulgär über Tabuthemen reden konnte, würde es in die Freiheit geführt haben.

Ich hätte mir noch ein wenig mehr Informationen über die schriftstellerischen Ereignisse Virginias gewünscht und tiefgreifendere Dialoge bei den Treffen im Gordon Square 46. Auch bleibt offen, wie sie zu der Ehefrau von Leonard Woolf wurde. Auch das Ausmaß ihrer bipolaren Störung fließt nur unzureichend in die Geschichte ein.

Dennoch freue ich mich auf den 2. Teil der Saga und kann dieses Buch Interessierten dieser Zeit empfehlen.