Eigenwillig

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katercarlo Avatar

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Dieses Buch hat einen eigenwilligen Charakter. Manchmal überraschte es mich mit einer verdichteten, repetitiven und stilistischen Art, die schon fast ein Gedicht sein könnte. Dann überrasche es mich damit die Grenzen zwischen Protagonistin und Autorin zu durchbrechen. Es überrascht mich mit der Verzahnung von Vergangenheit und Gegenwart, von Familiengeschichte, Musikerportrait und ETA-Terror. Es überrascht mich mit einem klaren, schonungslosen, aber nicht lieblosen Blick auf seine Figuren. Und es überrascht mich in den Wendungen, die die Geschichte nahm und die vielen Erzählungsfetzen mehr und mehr zu einem ganzheitlichen Patchwork-Muster zusammenfügten.
Kurzum: ein Buch voller Überraschungen. Überraschungen, die man sich aber auch verdienen muss. Der Erzählstil ist nicht einfach. Er ist meist ein monologhafter Dialog, wer miteinander spricht erkennt man aber nicht immer sofort. Man muss darauf hoffen eine Verbindung zu einem früheren Erzählfetzen zu finden, Ausschau nach einem Namen halten oder aufmerksam darauf achten ob da Sie mit Ihm spricht, Ich mit Dir oder Sie über Ihn. Das macht es kompliziert und anstrengend. So gehört das Buch auch nicht zu denjenigen, die sich schnell lesen lassen, ganz im Gegenteil fordert es trotz seiner nur gut 200 Seiten ordentlich an Zeit und Aufmerksamkeit ein.
Ob es sich lohnt sich auf dieses eigenwillige Buch einzulassen, ist vermutlich Geschmacksfrage. Es ist kein Reiseführer durch das Baskenland, wie der Titel vielleicht vermuten lässt. Die spanische Region ist Schauplatz, aber nicht so sehr Gegenstand der Handlung. Vor allem werden Beziehungskonstrukte in dem Buch hinterfragt. Zwischen Eltern und Kindern und Paaren. Die Geschichte macht sich viele Gedanken dazu und ermutigt auch den Leser zu eigenen Überlegungen. Vermischt wird alles mit Erlebnissen in Verbindung mit der ETA und einigen Einblicken in die Biografie Benjamin Brittens – ein Aspekt, den ich in diesem Buch nicht erwartet hatte, eine weitere Überraschung.
Ich persönlich bin froh mit den lustlosen Touristen auf Reisen gegangen zu sein. Es war nicht unbedingt ein erholsamer Urlaub, aber ein spannender. Ich wurde überrascht, habe viele Neues entdeckt und dabei ein charakterstarkes Buch kennengelernt.