Ein komplexer Roadtrip

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likeastorm Avatar

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"Die lustlosen Touristen" von Katixa Agirre ist eine Road-Novel aus dem Verlag Edition Converso und handelt von dem baskisch-spanischen Paar Ulia und Gustavo, die einen Roadtrip durch das Baskenland, der Heimat Ulias, machen. Wie bei einem echten Roadtrip lernt man nicht nur die Protagonisten kennen, sondern auch die Orte, durch die sie fahren und ihre Geschichten. Diese reichen von der Antike bis zur Gegenwart und behandeln dabei Themen wie Krieg, Terror, Pazifismus, Flucht... Und wie bei jedem Roadtrip geht es auch viel um Selbsterkenntnis/-entwicklung und wie sich die Beziehung zwischen Ulia und Gustavo entwickelt. Doch wie passen da Albert Einstein und der Mann im Gefängnis hinein?
Zunächst einmal grundsätzliche Dinge: Das Cover zieht erstmal Aufmerksamkeit auf sich und ist eine schöne Idee, beim näheren Hinschauen jedoch ist es mir persönlich zu durcheinander und nicht gut umgesetzt. Das Auge weiß nicht worauf es sich konzentrieren soll.
Das Buch wurde professionell korrigiert und lektoriert, es finden sich fast keine Rechtschreib- oder Logikfehler. Außerdem wurde außerordentlich gut recherchiert, das war eine Freude!
Als ich das Buch angefangen habe, bin ich leider etwas schleppend reingekommen und ließ mich leicht ablenken. Das liegt wohl am ungewöhnlichen Schreibstil, in den man erst hineinfinden muss. Andererseits hat er mich aber auch weiterlesen lassen, denn er wechselt zwischen Gespräch, indem die Protagonisten das "Du" benutzt und so den Anschein erweckt als würde sie mit dem Leser sprechen. Dementsprechend sind diese Kapitel auch wie ein Gespräch aufgebaut, lebendig kann man sagen und daher nicht immer so flüssig. In anderen Kapiteln ist es dann wieder eine klassische Erzählung, die sich flüssiger lesen lässt. Dabei verzichtet die Erzählerin auf Dramatisierungen und Effekthascherei, sowohl wenn es um Liebe geht, als auch um Krieg. Dennoch kann man sich sehr gut in die Situationen hineinversetzen.
Die Autorin beweist eine große Menschenkenntnis, die sie sehr gut in direkte Worte fassen kann, was mich des Öfteren zum Schmunzeln und Nachdenken brachte. Das macht die Charaktere nahbar und authentisch, man kann sich mit ihnen identifizieren und mitfühlen.
Die Anzahl der Charaktere ist absolut passend und überschaubar, ich hatte keine Schwierigkeiten sie mir zu merken.
Die Buchidee des Roadtrips ist von Anfang an klar und zieht sich durch das gesamte Buch. Auch wenn die beiden anderen Handlungsstränge zunächst nicht hineinpassen wollen, hängt am Ende alles zusammen. Mit Fortschreiten der Reise steigt auch die Spannung immer weiter.
Die Handlung konnte mich überzeugen, auch wenn sie an manchen Stellen etwas mehr Tiefe vertragen könnte. Allerdings spiegelt auch das wieder die Protagonistin und den Roadtrip wieder, denn da verweilt man ja auch nicht zu lange an einem Ort.
Das Ende kam mit einem Twist, viele Dinge haben sich aufgeklärt, aber vieles liegt noch im Unklaren. Vor allem was die Zukunft von Gustavo und Ulia betrifft, bleiben sie zusammen? Was wird aus ihrer Arbeit, was wird aus dem Mann im Gefängnis?
Das Buch war noch tagelang im Sinn und ich musste immer wieder daran zurückdenken. Einerseits wegen der Cliffhanger, andererseits wegen der vielen im Buch behandelten Themen.
Meine persönliche Meinung: Eine Geschichte der Art habe ich selten gelesen! Das Buch war sehr komplex, hat viele Themen behandelt und der Schreibstil war ungewöhnlich, weshalb das Buch nicht jedem gefallen wird. Es sind Themen aus der Geschichte und Themen aus der Gegenwart und ich freue mich immer sehr, wenn Bücher tatsächliche Begebenheiten einbringen und es macht mir Lust diese nachzurecherchieren und mich mehr damit zu beschäftigen. Dabei bleibt die Autorin aber immer noch relativ oberflächlich, sodass man nicht komplett erschlagen wird mit Informationen. Ich würde das Buch jenen empfehlen, die Lust auf eine Reise haben und sich ansatzweise für Themen wie Krieg, Terror und Pazifismus interessieren oder sich eventuell danach mehr damit beschäftigen möchten.