Interessante Fahrt in die Vergangenheit

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biancaneve_66 Avatar

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Die Musikwissenschaftlerin Ulia zeigt ihrem Mann Gustavo ihr Heimatland, das Baskenland. Durch diese Autofahrt - ausschließlich über Nebenstraßen – führt nicht nur in die baskische Vergangenheit, sondern auch zu Ulias Familiengeheimnis, das größtenteils über den zweiten Erzählstrang ihrer Mutter Mariluz ans Tageslicht kommt.
Das auffällige Cover zeigt eine aus lebhaften Mustern zusammengesetzte Landkarte von Europa. Die kurzen Kapitel erzählen nicht nur über Ulia und Mariluz, sondern darüber hinaus auch aus dem Leben des Komponisten Benjamin Britten erzählen, über den Ulia ihre Doktorarbeit schreibt. Anmerkungen am Ende des Romans erläutern Hintergründe zu realen Geschehnissen.
Der Schreibstil ist besonders. Sehr rasant und mitreißend werden Ulias Gedanken als Ich-Erzählung oft nur stichwortartig wiedergegeben. Der Stil und die Sichtweise ändern sich im Part über Mariluz; erzählend gefühlvoll erfährt der Leser über ihr Leben. Brittens Erlebnisse erscheinen eher sachlich interessant. Packend sind sie alle drei; man möchte keine der Geschichten missen.
Denn Agirre gelingt es großartig, diese Geschichten zu erzählen. Ulia und Gustavo haben sich nach dem Terroranschlag 2004 in Madrid kennengelernt, verstehen sich gut – und sich doch so verschieden. Auch deshalb fällt es Ulia nicht leicht, ihn über ihr Familiengeheimnis aufzuklären. Anläufe dazu unternimmt sie viele, aber immer wieder lässt sie sich unterbrechen.
Die Autorin behandelt die Themen Vertrauen und zerschlagene Träume; berichtet über die ETA, über Anschläge und Proteste; aber die Autorin urteilt nicht. Sie zeigt Fakten auf und verwebt sie gekonnt mit den Lebensgeschichten der Protagonisten. Eine absolut lesenswerte Road-Novel, die stellenweise sehr unter die Haut geht.