Roadtrip-Collage mit starker Erzählstimme und einer großen Portion Sarkasmus

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waschbaerprinzessin Avatar

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Ulias Gesangskarriere endet durch den Verlust ihrer Singstimme, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. Stattdessen promoviert sie nun in Musikwissenschaft. Ihren Mann Gustavo lernt sie während des Terroranschlags in der Madrider Metro kennen. Jetzt sind die beiden in Gustavos geliebtem nagelneuem 1er BMW auf dem Weg durch Ulias Heimat, dem Baskenland, beide mehr damit beschäftigt, was sich vor ihrem inneren Auge abspielt, als mit dem, was im Nieselregen am Autofenster vorbeizieht, während sie stets auf den Nebenstraßen durch die Landschaft fahren.

Wie der Titel bereits vermuten lässt, erzählt Katixa Agirre in ihrem Roman „Die lustlosen Touristen“ nicht von einem fröhlichen Roadtrip und ausgelassener Urlaubsstimmung. Die Atmosphäre ist eher bedrückend, man spürt von Anfang an, dass etwas nicht stimmt, während Ulia stets an Gustavo gerichtet die Geschichte ihrer Reise durchs Baskenland erzählt. Ihr Tonfall ist dabei häufig sarkastisch, ihre Beobachtungen über die Welt und insbesondere über Männer schildert sie mit leisem Spott, ihr Humor ist wundervoll ironisch und nicht selten auch ein wenig bösartig. Auch wenn sie sich gutes Essen und teuren Wein leisten, kann das Ehepaar den Urlaub nicht wirklich genießen. Zwischen ihnen stehen Geheimnisse und über Ulia hängen die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit und der des Baskenlandes und der ETA, die enger miteinander verwoben sind, als es zunächst den Anschein hat. Und was hat es mit der britischen Journalistin auf sich, die die beiden regelrecht zu verfolgen scheint?

Zwischen Ulias Reisebericht finden sich immer wieder Kapitel, die sich zunächst nicht so leicht in die Handlung einordnen lassen: Ereignisse aus Ulias Jugend, Ausschnitte aus dem Leben des Komponisten Benjamin Britten, eine junge Lehrerin in einer unter Beschuss stehenden Kirche. Wie die Europakarte auf dem wunderschönen farbenfrohen Cover wirkt auch der Roman wie eine Art Collage und nach und nach fügen sich die verschiedenen Handlungsstränge zusammen, bis am Ende alles zusammenpasst und alle Geheimnisse gelüftet werden. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass mir dies in den letzten Kapitel zu schnell geschieht und ich etwas enttäuscht darüber war, dass die Fahrt so plötzlich ihr Ende gefunden hat. Gerne wäre ich noch viele Seiten weiter mit Ulia und Gustavo durchs Baskenland sowie durch die persönlichen Geschichte der beiden gereist.

Nicht nur das Cover, sondern das ganze Buch ist etwas Besonderes und ich kann allen, die nicht gleich ungeduldig werden, wenn sich nicht alle Zusammenhänge sofort erschließen, wärmstens empfehlen, zu Ulia und Gustavo in den BMW zu steigen und „Die lustlosen Touristen“ von Katixa Agirre zu lesen.