Terror und dessen Folgen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kaffeeelse Avatar

Von

Mit einem etwas anderen Sprachklang berichtet die baskische Autorin Katixa Agirre in „Die lustlosen Touristen“ von einer Frau, von Ulia, eine Baskin, eine Frau mit einer unschönen Vergangenheit. Eine Frau, die mit ihrem spanischen Freund Gustavo in ihre Heimat reist, ins Baskenland, zu dieser unschönen Vergangenheit. Lange vorbei, aber immer noch ihr Leben bestimmend. Dabei ist diese Fahrt nicht einfach ein Urlaub. Obwohl die Reise so genannt wird. Es ist eher eine Reise in die Vergangenheit, ein Roadtrip in eine zerstörerische Vergangenheit, es ist eine Auseinandersetzung, lange ausstehend, aber ebenso lange vor sich hergeschoben. Nachdenklich machend. Aber ebenso auch nachvollziehbar. Diese Reise ist ein Weg zu sich selbst, ein Risiko und ein Wagnis beinhaltend. Ein Blick auf den Terror und seine Folgen. Schmerzhafte Folgen. Denn hat diese Vergangenheit Folgen für das Jetzt. Oder hat dies auch mit einem gewissen Zulassen zu tun?

Schon in „Patria“ habe ich mich mit diesem Thema auseinandersetzen dürfen. Dabei erschafft "Patria" eine Tiefe, die bei „Die lustlosen Touristen“ leider etwas zu kurz kommt. "Die lustlosen Touristen" wirkt etwas zerrissener, ausgefaserter, obwohl es mich thematisch fast genauso berührt. Vielleicht weil zu viel thematisiert wird? Vielleicht weil die Erzählart etwas sperriger ist? Vielleicht weil die Erzählstimme etwas eigensinnig wirkt? Dennoch ist "Die lustlosen Touristen" ein 4-Sterne-Buch für mich, denn es ist kraftvoll und berührt, vielleicht gerade wegen dieser eckigen Erzählstimme. Denn es gibt Gründe für diese Ecken. Nachvollziehbare Gründe! Und irgendwie wünsche ich Ulia, dass ihre Dämonen endlich verschwinden/endlich verblassen! Sie mehr Nähe zu ihrer Mutter zulassen kann. Und sie vergeben kann! Denn wie war das mit dem Stein und dem Glashaus?

Aber nicht nur die Vergangenheit lastet auf Ulia, auch etwaige Schwierigkeiten in der Gemeinschaft von Ulia und Gustavo drängen nach oben. Und hier hatte ich ein richtig ungutes Gefühl. Klingt das nach Bindungsstörungen, die ebenfalls durch Vergangenes getriggert werden?

Ein weiteres Thema des Buches ist der Pazifismus, in Gestalt der Doktorarbeit von Ulia, die sich thematisch um Benjamin Britten und seine pazifistischen Ansichten dreht. Dies in Bezug zu Ulias Vergangenheit, zur Vergangenheit des Baskenlandes und der ETA zu setzen ist ein kluger Schachzug der Autorin und macht ungeheuer neugierig auf weiteres aus ihrer Feder.

„Die lustlosen Touristen“ ist ein interessanter Mix, zwar etwas auseinandergepflückt wirkend, aber dennoch sind hier unterschiedliche Thematiken interessant verbunden worden. Ein Hingucker! Lesen!