Spannender und brutaler Thriller

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Martin Krist: Die Mädchenwiese
Zum Inhalt

Die 16-jährige Lisa Theis aus Finkenwerda, einem öden Dorf nicht weit von Berlin, ist verschwunden. Zunächst sieht es so aus, als sei sie mit ihrem neuen Freund, den niemand persönlich kennt, durchgebrannt, um ihrer angespannten familiären Situation zu entfliehen. Mit ihrer verbitterten, alleinerziehenden Mutter Laura versteht sie sich nicht besonders gut und ihr kleiner ängstlicher Bruder Sam geht ihr auf die Nerven.
Als im Wald die entsetzlich zugerichtete Leiche eines Mädchens gefunden wird, schwant dem ehemaligen Kriminalkommissar Alex Lindner, der nach einem tragischen Vorfall drei Jahre zuvor seinen Job an den Nagel gehängt hat und der jetzt die Dorfkneipe führt, Böses: Der Mord trägt die Handschrift der "Bestie", eines mädchenschlachtenden Ungeheuers, das Alex bei der Mordserie vor mehr als drei Jahren knapp entkommen war. Ist die "Bestie" zurück, hat sie Lisa in ihrer Gewalt und steckt sie möglicherweise sogar hinter den seltsamen Briefen und Anrufen, die Alex erhält?
Welche Rolle spielt die alte Berta Kirchberger, die im Dorf als Hexe verschrien ist und die sich nur nachts auf die Straße traut?

Eigene Beurteilung

"Die Mädchenwiese" besteht aus verschiedenen Erzählperspektiven. Es gibt drei Handlungsebenen, die in der dritten Person präsentiert werden, dabei wird in rasantem Wechsel jeweils aus der Perspektive von Axel Lindner, Laura Theis und deren verschwundener Tochter Lisa berichtet. Im Gegensatz dazu steht die Ich-Erzählung der alten Berta Kirchberger, die in die fortlaufende Handlung eingeschoben ist und nach und nach ihr Leben von der Kindheit bis in die jüngste Vergangenheit ausbreitet.
Durch den Wechsel der Erzählperspektive immer zu Zeitpunkten, an denen sich etwas Neues ergibt, bzw. eine Situation zu eskalieren droht, wird große Spannung erzeugt, allerdings sind die Erzählabschnitte manchmal zu knapp und zu reißerisch gehalten, außerdem wirken diese ständigen Cliffhanger mit der Zeit etwas eintönig. Spannung wird auch durch die detaillierten Beschreibungen von Grausamkeit und Perversion generiert, der Leser kann nicht umhin, um die und mit den Romanfiguren zu zittern. Der anschauliche und flüssige Sprachstil lässt ihn zum Augenzeugen der schrecklichen Ereignisse werden. Auf sehr sensible Leser werden die explizit beleuchten Folterszenen jedoch (zu) abstoßend wirken.
Mit der Charaktergestaltung der Romanfiguren hatte ich gewisse Probleme. Lisas Mutter Laura, die in der Erziehung ihrer Kinder aufgrund ihrer Überforderung viele Fehler gemacht hat, handelt auch nach Lisas Verschwinden sehr impulsiv und unklug, teilweise ist ihr Verhalten nicht nachzuvollziehen. Auch ihr Schwager Frank, der sich als Polizist mit dem Fall befasst, wirkt sehr unprofessionell. Er hört dem kleinen Sam, der wichtige Aussagen machen will, nicht zu und ist auch sonst sehr voreingenommen. Als ihm ein Verdächtiger auf dem Präsentierteller gereicht wird, hinterfragt er diese offensichtliche Finte nicht.
Die interessanteste Figur in diesem Thriller ist die alte Berta Kirchberger, eine "schuldlos Schuldige", deren Schicksal den Leser vermutlich am meisten berührt.
Die Auflösung ist für den geübteren Krimi-Fan relativ absehbar, was insgesamt der Spannung nur wenig Abbruch tut. Der erste Teil des Romans ist jedoch weniger spannend als der weitere Verlauf, da einige meiner Meinung nach überflüssige Szenen um Alex und seine Freunde zu lang geraten sind.

Fazit

Ein brutaler Thriller für abgehärtete Krimifans, der eher durch spannende Unterhaltung als durch realistische Darstellung einer Mordermittlung punktet.