Mehr Schein als Sein

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annajo Avatar

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Blanche und Ravi glauben, das große Los gezogen zu haben, denn sie dürfen eine Woche lang eine Zaubershow im neuen Variété aufführen. Dafür versetzen sie sich in die Rollen historischer Liebespaare und der riskanteste Act ist der, in dem sich Romeo und Julia in sich mit Sand füllende Sarkophage einschließen lassen. Sechs Tage lang geht alles gut, doch am letzten Tag missglückt der Trick, eine Tricktür lässt sich nicht öffnen und die Aufführung wird lebensgefährlich. Doch nicht nur Ravis (der Zauberer) Leben ist bedroht, sondern auch das Wohl seiner Assistentin Blanche hängt davon ab, dass er sie rechtzeitig befreit. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als das Gesetz der Société, keine echte Magie einzusetzen, zu brechen.
Doch Ravis Einsatz von Magie hat Folgen. Denn die Magier sollen geheim bleiben und nicht lange, da hat er schon den ersten Abgesandten der Société auf den Fersen. Nun muss Ravi geschickt sein, denn fliehen kann er nicht. Nach dem Biss in einen magischen Apfel schläft seine Assistentin nämlich wie Schneewittchen und wacht am nächsten Morgen nicht wieder auf, sondern bleibt in ihrem Schlaf gefangen. Und auch die Zeit steht still und dieser verhängnisvolle Sonntag wiederholt sich. Wahrscheinlich sieben Mal, bis die Welt untergeht ...

Neben Ravi und Blanche gibt es noch zahlreiche weitere Beteiligte der Geschichte: Justine die junge Kellnerin, das Wirtsehepaar Alphonse und Esmée, den Möchtegernautor Gaspard, den Nichtsnutz Mischa und die nach und nach eintrudelnden Gäste der Société. Auch stilistisch spiegelt sich die Vielzahl an Personen wider: die Handlung wird im Wechsel von Justine, Gaspard, Esmée, Alphonse, Blache, Ravi und Barnaby erzählt, was mehr als einmal zu meiner Verwirrung führte.
Die ersten paar Kapitel lösten ein wahren Begeisterungssturm bei mir aus da sich die Geschichte sehr locker, leicht und flüssig lesen ließ, wobei der Autor keinen oberflächlichen oder seichten Stil hat, sondern eine poetische Sprache und bildhafte Metaphern verwendet. Die Geschichte versprühte geradezu Magie. Ich habe es schon als Lesehighlight 2010 gesehen. Und gerade optisch ist das Paket ja auch sehr viel versprechend.
Doch leider erlahmt die Geschichte sehr schnell, die Spannung bleibt auf der Strecke und fünf der sieben Tage bis zum Weltuntergang verbringen die Charaktere eigentlich nur mit Warten. Zudem ahlen sich besonders Ravi und Barnaby in ihrer Kultiviertheit und zu meiner Überraschung hat auch die Kellnerin keine Probleme mit dem elitären Sprachstil der beiden. Viele der Dialoge sind völlig vergeistigt und rein philosophierend. Magie und Zauberei bleiben lange Zeit ungenutzt und das Buch nimmt erst 100 Seiten vor Schluss an Fahrt auf. Auf mich wirkte es leider eher wie eine Mogelpackung. Ich habe mir sehr gewünscht, dass es genauso gut ist, wie es aussieht, doch leider war hier mehr Schein als Sein.

Da ich mich selbst streckenweise durch das Buch quälen musste und mir des Öfteren einen etwas weniger anspruchsvollen Sprachstil gewünscht hätte, kann ich das Buch nicht wirklich uneingeschränkt weiterempfehlen. Wer hier auf atemberaubende Fantasy mit viel Spannung hofft, wird hinterher sehr enttäuscht sein.