Whodunnit

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miss_cooper Avatar

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„ warum haben wir so einen Appetit auf Mordgeschichten? Und was fasziniert uns so daran ? Das Verbrechen oder die Lösung? Haben wir ein urwüchsiges Verlangen nach Blutvergießen, weil unser eigenes Leben so sicher und komfortabel ist?“

Kaum zu glauben, aber es soll tatsächlich Menschen geben die einem Krimi nichts abgewinnen können, meine bessere Hälfte zum Beispiel, die Handlungen sind ihm zu banal, mit den Protagonisten kann er sich nicht identifizieren und spannend findet er das ganze schon mal gar nicht. Für mich hingegen gibt es nichts schöneres als abends in einem guten Landhauskrimi - oder wie ich ihn liebevoll nenne, Häkelkrimi zu lesen, einem bei dem die Seiten nur so dahinfliegen und mich die Zeit vergessen lassen. Genau solch ein Exemplar liegt gerade vor mir. „Die Morde von Pye Hall“ von Anthony Horowitz sind Standesgemäß eingebettet in ein Cover à la Edgar Wallace.

Was das Buch von einem schlichten Krimi unterscheidet ist, das es nicht nur die eigentliche Rahmenhandlung gibt, die in der heutigen Zeit spielt, sondern auch eine Binnenerzählung in Form eines Manuskripts, geschrieben von einem Fiktiven Autor.

Susan Ryeland ist Cheflektorin in einem kleinen Verlag und bekommt das neue Manuskript von ihrem wichtigsten Schützling Alan Conway zugesandt. Einem begnadeten Schriftsteller, von dessen Buchreihe um den Meisterdetektiv Atticus Pünd der Verlag lebt.

Conways Manuskript spielt im England der 50er, sein Hauptprotagonist ist der 65 Jährige Londoner Detektiv Atticus Pünd, ein ausgeglichener in sich ruhender Geist mit scharfer Beobachtungsgabe. Der, obwohl er die Diagnose bekommt das er nur noch zwei Monate zu leben hat, oder vielleicht gerade aus diesem Grund, einen neuen Fall annimmt. In einem kleinen Englischen Dorf ist die Haushälterin Mary Blakiston ums Leben gekommen, ganz offensichtlich war es ein tragischer Unfall. Doch als wenig später der Großgrundbesitzer Sir Magnus Pye mit einem Schwert enthauptet wird glaubt niemand mehr an einen Zufall. Die Leute im Dorf beginnen sich gegenseitig zu verdächtigen und es liegt nun an Atticus Pünd den Mörder und sein Motiv zu enttarnen. Zusammen mit seinem tüchtigen, aber begriffsstutzigen Assistenten James Fraser lässt er den Kreis der Verdächtigen immer kleiner werden, bis nur noch der wahre Täter übrig bleibt und gerade als Pünd seine Schlussfolgerungen verkünden will… endet das Manuskript.

„Die Auflösung überrascht mich eigentlich immer, und ich liebe es, wenn der Detektiv alle Verdächtigen in einem Raum versammelt und den Fall mit der selben Lässigkeit aufklärt, mit der ein Zauberkünstler bunte Seidentücher aus dem Hut zieht.“

Man kann sich vorstellen wie verdattert ich war, als das Manuskript genau an der Stelle endete an der ich mir nur noch des Rätsels Lösung herbeisehnte.
Auch Susan ist perplex, sie hält es zunächst für einen Test ihres Chefs, der vermutlich wissen will wen sie für den Mörder hält.
Als sie aber aus dem Radio vom Tot des Autors Alan Conway erfährt, ist ihr klar das das wohl eher der Grund für das unfertige Manuskript ist. Doch je länger sie darüber nachdenkt, desto sicherer ist sie sich das er ihr kein halb fertiges Manuskript hätte zukommen lassen. Sie macht sich also auf die Suche nach den fehlenden Kapiteln. Dabei stößt sie auf immer mehr Ungereimtheiten was den augenscheinlichen Selbstmord des an Krebs leidenden Autors angeht. Und auf einmal ist sie sogar fest davon überzeugt, dass es Mord war. Das erste mal in ihrem Leben liest sie nicht nur Detektivgeschichten sondern wird selbst zur Detektivin. Sie beginnt Conways Bekannten- und Verwandtenkreis auseinanderzunehmen und stellt fest das Conway auf Grund seines schwierigen Wesens eine große Anzahl an Leuten gegen sich aufgebracht hat, die alle ein Motiv gehabt hätten sich seinen Tot zu wünschen.

Antony Horowitz ist es gelungen zwei völlig unterschiedliche Texte zu kreieren. Die sich nicht nur inhaltsmäßig, sondern auch vom Schreibstil unterscheiden. Als wären es wirklich zwei Autoren, die diese Texte geschrieben hätten.

Auf der einen Seite ein Manuskript ganz in Sherlock Holmes Manier. Das nur so gespickt ist mit offensichtlichen Anspielungen auf die Werke von Agatha Christie und Arthur Conan Doyle, die das „goldene Zeitalter“ des englischen Kriminalromans geprägt haben. Horowitz erzeugt ein gemächliches Erzähl tempo, eine so sanfte und verträumte Grundstimmung, ohne das es langweilig wirkt. Ausführlich beschreibt er die pitoreske englische Landschaft, die Dörfer und deren Einwohner, so das ich das Lebensgefühl jener Zeit tatsächlich spüren kann.

Auf der anderen Seite die rasantere und emotionalere Geschichte um Susan Ryeland, die ihre Detektivische Ader auslebt und selbst zur Ermittlern wird. Durch die Ich Perspektive und dadurch das sie mich als Leser direkt anspricht und mit mir interagiert fühle ich mich ihr näher verbunden. Sie stellt an mich gerichtete Fragen und nimmt mich bei ihren laienhaften Ermittlungen an die Hand.

„Die Morde von Pye Hall“ ist wie ich finde ein überaus gut gestalteter Krimi, mit der perfekten Dosis Rätselraten, angenehm zu lesen und mit einer Vielzahl an mitunter sehr Kurzweiligen sympathischen und weniger Sympathischen Charakteren.
Ein Krimi bei dem er nicht nur von anderen Schriftstellern inspiriert wurde, sondern auch stark seine persönlichen Erfahrungen einfließen lies. Danke Anthony du hast mir eine sehr spannende Nacht bereitet.