Was passiert, wenn die Heimat zur Fremde und die Fremde zur Heimat wird?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kirsche Avatar

Von

Sanan Mahloudji (2024): Die Perserinnen

Was passiert, wenn Heimat zur Fremde und Fremde zur Heimat wird?

Die im Iran geborene und in Los Angeles aufgewachsene Schriftstellerin Sanan Mahloudij legt mit die Perserinnen ihren ersten autobiografisch orientierten beeindruckenden Roman vor. Die im Iran höhergestellte Familie Valiat befindet sich, außer der in der iranischen Heimat verwurzelten Mutter, seit dem Sturz des Schahs 1979 im amerikanischen Exil. Die Geschichte setzt kurz nach dem Tod der an Krebs leidenden Mutter auf dem alljährlichen, seit 11 Jahren stattfindenden Familientreffen in Aspen ein. Hier tut die Familie so lange so, als ob es die Revolution nie gegeben hätte, bis Tante Shirin erst gegen eine Kaution aus einer Arrestzelle freikommt, in der man sie auf Grund eines Prostitution Verdacht festhielt. Man erfährt, dass Shirin sich in ihrer neuen Heimat Amerika nie wirklich dazugehörig fühlte, was sich in Äußerungen wie „die Texaner machen mich krank“ oder Reaktionen auf ihren Großeinkauf manifestiert, obwohl sie im Westen als Frau eine Karriere als Eventplanerin und Gestalterin des Covers der Houston Living machen konnte, die ihr in ihrer alten Heimat verwehrt worden wäre.
Die Ereignisse während des Familientreffens lösen im Folgenden aber nicht nur in Shirin ein Nachdenken über Heimat, Fremde und Zugehörigkeiten aus, sondern auch die anderen weiblichen Familienmitglieder fragen sich, wieviel Persien noch in ihnen steckt und was sie mit der alten Heimat verbindet.
Mahloudjis transkultureller Roman gestaltet gekonnt die Verhandlung von Eigenem und Fremden in einer globalisierten Welt. Dies drückt sich auch durch eine beeindruckende bildreiche sprachliche Gestaltung voller Widersprüche aus: „ihr dickes, dunkles Haar ergoss sich über das weiße Kissen wie Tinte über ein Blattpapier“. Wie in diesem Zitat wird aber nicht nur Äußeres, ihr dunkles Haar, dem Weiß des Kissens gegenübergestellt, sondern auch braune Erbstückmöbel der persischen Heimat gegen moderne Ikea Einrichtung, Trauer gegen Freude oder Ost gegen West.
So sehen sich schließlich alle Figuren mit der Frage konfrontiert: Wo gehöre ich hin? Schnell wird die Frage der Ortszugehörigkeit jedoch zu der nach der eigenen Identität: Wer bin ich und wer möchte ich sein?