Viele gute Ideen

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Antonia Lorimer hat es nach dem Tod ihres Mannes nicht leicht. Ihre Plantage Legacy ist in den Wirren des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zerstört worden. Zudem hat sie ihre Sklaven frei gelassen und hofft, dass diese ihr dennoch helfen. Den so dringend benötigten Kredit will ihr die Bank nicht gewähren. Mit all diesen schlechten Nachrichten macht sich Antonia auf den Weg nach Hause und findet einen schwer verletzten Soldaten vor. Der Rotrock gehört offensichtlich ins feindliche Lager. Mit Hilfe der Indianerin Vier Federn versorgt sie ihn, ohne zu ahnen, dass eben dieser Colonel William Marshall für den Tod ihres Mannes und die Verwüstung ihrer Plantage verantwortlich ist.

Catherine Tarley platziert ihre Geschichte in einen interessanten Abschnitt des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. 1781 erlitten die Briten eine Niederlage im Süden der heutigen USA. Die unterschiedlichen Ziele der beiden Hauptfiguren bieten obendrein eine Menge spannendes Potential, wenngleich der Ausgang in diesem Fall auch schon wieder vorhersehbar wird. Antonia scheint eine moderne Einstellung zu haben und handelt so gar nicht, wie man es von einer Kolonialherrin erwarten würde. Hinzu kommen interessante Nebenfiguren wie die Indianerin Vier Federn und der ehemalige Sklave Joshua. Durch den flüssigen Schreibstil der Autorin wird die Erwartung auf eine herzerwärmende und doch mitreißende Geschichte geschürt. Zum Teil gelingt das auch, wenn der Fokus auf weitere Figuren wie den Kreolen Oliver Roscoe oder dem Plantagenbesitzer Algernon Reed gelenkt wird. Im Anhang werden unzählige Anmerkungen erwähnt, sodass ich außerdem auf einem detailliert recherchierten Roman geschlossen habe.

Die Kapitel behandeln vorwiegend die Geschichte der einzelnen Figuren und deren Sicht auf die Ereignisse. Gern hätte ich in diesem Fall einen opulenten Südstaatenroman gelesen, dessen Flair sich ausgebreitet und mich gedanklich in eine andere Welt geführt hätte. Das funktioniert aber nur, wenn die Personen und die Umgebung detailliert ausgearbeitet sind. Halbherzige und teils unglaubwürdige Aktionen, die oberflächliche Klischees bedienen tragen nicht dazu bei. Die in jedem Kapitel wechselnde Ansicht birgt viele Wiederholungen, die Längen entstehen lassen. Bei einem Umfang von 860 Seiten hätte man gewiss Platz für mehr gefunden. Obendrein ist die Kulisse beliebig austauschbar und das erwartete Südstaatenflair will sich einfach nicht einstellen. Ob man sich nun in auf einer Plantage in Carolina, auf einem Schiff auf dem Atlantik oder gar in einer Hafenkneipe in London bis aufs Blut bekämpft, ist unerheblich. Als Leser empfindet man es als spannend, wenn diese Wiederholungen entweder gut getarnt sind, oder wenigstens die Geschichte vorantreiben. Diese Kunst des Schreibens findet man nur selten. Ganz bestimmt hätten Kürzungen diesem Buch gut getan. Die Ideen versprachen mehrere interessante Handlungsstränge, die sich jedoch in der Fülle zu einem unübersichtlichen Knoten verhedderten. Aus dem anfänglichen Schmöker wurden quasi seitenwendend Psychothriller oder Krimi. Festlegen wollte sich offenbar niemand.

Wer sich bei diesem Roman vom Klappentext oder möglicherweise vom Cover inspirieren lässt, wird wahrscheinlich enttäuscht. Beides lässt eine ganz andere Erwartung aufkommen als letztendlich erfüllt wird. Allerdings werden wohl auch Thrillerfans nicht auf ihre Kosten kommen, da das Kapitel mit Algernon Reed zu wenig Raum füllt, um bis zum Ende begeistert zu sein. Leider kann man sich auch nicht einfach nur gedanklich in den Süden Amerikas denken, da dafür die Beschreibungen der damaligen Gepflogenheiten und Gesellschaft nicht ausreichen. Als Fazit bleibt deshalb für dieses Buch: kein Lesetipp.