Alea iacta est secundus

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monika_brigitte Avatar

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Teil I von II + Band V einer Reihe - Rezension ohne Spoiler auf Band 1

„Und was, wenn da keins ist?“
Tuvesson und die anderen sahen Fabian an. „Kein was?“
„Kein Motiv.“ (…) „Wer sagt, dass es unbedingt ein Motiv geben muss?“
„Es gibt immer eins“, sagte Kipplan. „Hinter jeder Tat verbirgt sich ein Motiv.“
„Und wenn wir das gefunden haben, finden wir auch den Täter“, fügte Tuvesson hinzu.
Ja, die alte Leier“, sagte Fabian. „Aber stellt euch mal vor, bei diesem Fall wäre das anders. Was machen wir dann?“
Schweigen breitete sich im Raum aus.
(S.65)

Die Würfel sind gefallen. Wer kann das Töten stoppen?

DIE RÜCKKEHR DES WÜRFELMÖRDERS ist der Abschluss einer Dilogie und gleichzeitig der fünfte Band der Fabian-Risk-Reihe von Stefan Ahnhem, einem der erfolgreichsten Kriminalautoren Schwedens. Der Ermittler Fabian Risk jagt mit der Polizei rund um Helsingborg nach brutalen Killern und blickt dabei in menschliche Abgründe. Im vierten und fünften Teil sind Fabian Risk und sein Team einer Reihe von scheinbar willkürlichen Mordfällen auf der Spur. Der Originaltitel lautet: X sätt att dö (X Wege zu sterben).

Inhalt
Der Thriller knüpft handlungstechnisch genau da an, wo der erste Teil aufgehört hat. Lies auf jeden Fall zuerst Teil 1! Der Würfelmörder ist auf freiem Fuß und zieht seine mörderischen Spuren weiter durch Schweden. Fabians familiäre Probleme und seine privaten Ermittlungen führen zusätzlich zu einer Überbelastung des jungen Polizisten. Deutlich mehr Raum bekommt im zweiten Teil die Perspektive von Kim Sleizner, dem Chef des Kopenhagener Morddezernates. Der Klappentext nimmt inhaltlich schon einiges vorweg, was ich schade finde.

Schreibstil
Stefan Ahnhem konstruiert seinen Roman wieder mit vielen Handlungssträngen. Es gibt 4 Hauptperspektiven – Fabian Risk; seine Kollegin Irene Lilja; der Chef des Kopenhagener Morddezernats Kim Sleizner; und der Würfelmörder – nebst mehreren kleinen Personenauftritten. Dazu kommt, dass der Thriller mit seinen 84 Kapiteln zwar immer noch oft die Perspektive wechselt, aber auch 6 Kapitel weniger umfasst als sein Vorgänger. Im ersten Teil habe ich mich schon an diesen Stil gewöhnt und finde diese Vorgehensweise nicht mehr so verwirrend. Ganz im Gegenteil: Es kommt dieses Mal eine Dynamik auf, die den Lesefluss verbessert. Ich fand den so entstandenen Rundumblick sehr gelungen.

Themen
Trigger! Es kommt Gewalt an Kindern vor!

Ein Themenschwerpunkt lag im zweiten Teil nicht vor. Ging es im Ersten noch verstärkt um Rassismus, Rechtsextremismus und sexualisierte Gewalt – alles sehr schwere Kost – wurde im Zweiten eine mehr oder minder einheitliche Handlung fokussiert –das Fassen des Würfelmörders. Ein nicht unerheblicher Teil der Handlung spielt auf dem Wasser. Ich konnte einige neue Begriffe rund um Schiffe und (Segel-)boote lernen. Auch die Umwelt-/Naturschutz – Bewegung erhält in diesem Buch einen leichten Einschlag (besonders im Prolog).

Charaktere
Fabian Risk ist ein Familienvater, der schon sehr stark mit dem Konsequenzen seines Polizeijobs zu kämpfen hat. Er weckt Sympathien, was ich von seinen Familienmitgliedern nicht behaupten kann. Gerade seine Frau habe ich nicht verstanden, aber wahrscheinlich fehlen mir da die Vorkenntnisse, denn ich habe die ersten 3 Teile der Fabian-Risk-Reihe (noch) nicht gelesen.

Irene Lilja wirkt sehr blass in diesem Teil, ist aber keineswegs wegzudenken. Eine starke Frauenfigur, die schnell schaltet und sicherlich noch ausbaufähig ist. Da darf man auf die weiteren Teile gespannt sein.

Und dann kommt Kim fucking Sleizner – was für ein (entschuldige den Ausdruck, aber es ist nun einmal die Wahrheit) Wichser. Seine Parts waren mit Abstand die witzigsten, aber auch die zum Kopfschütteln. So langsam verliere ich die Vorstellung, dass alle Kommissare und Polizisten nur die besten Absichten haben -zumindest bei Ahnhem.

„Eine Zwei oder eine höhere Zahl legten den Tag fest, an dem das Ganze stattfinden sollte. Eine Eins bedeutete, dass es vorbei war, und zwar für immer. Es hatte Momente gegeben, in denen er diesen Beschluss ohne weiteres akzeptiert hätte. Diesmal war das anders. Er hatte das Gefühl, dass alles, was er durchgemacht hatte, nur eine Vorbereitung gewesen war.“ (S. 345)

Der Würfelmörder agiert glaubwürdig, aber brutal. Er himmelt seine Würfel an, als würde das Geschick der Welt in einem einzigen Wurf liegen, als würde Gott durch die Würfel zu ihm sprechen. Dieses ominöse Motiv des Täters wird gut reflektiert und in Ansätzen psychologisch durchleuchtet. Seine Vorgeschichte, die in diesem Buch dargelegt wurde, hat nicht ganz zu dem gepasst, was noch im ersten Buch dem Leser berichtet wurde. Das fand ich verwirrend.

Das große Finale der Würfelmörder-Dilogie empfand ich am Ende doch sehr vorhersehbar. Der Mörder, der um Zeitpunkt, Mordwaffe, Todesart, Farbe des Opfers usw. würfelt, hatte doch mitunter etwas zu viel Glück. Natürlich muss die Spannung bei einem Thriller lange oben gehalten werden, das finde ich auch wichtig, aber es kam bei mir zu Augenrollmomenten. >>Ja, natürlich, muss er jetzt durch die Tür kommen…na klar.<< Das liegt sicher auch daran, dass sehr früh im Thriller schon die Identität des Täters herausstellt, er muss >>nur noch<< gefasst werden.

Ein paar Mal konnte mich die Handlung aber doch überraschen. Am Ende habe ich dann nur noch eine Frage: Wann kommt Teil 6? So unsympathisch mir die Figur Kim Sleizner ist, wüsste ich zu gerne warum er einen so großen Hass auf seine Ex-Kollegin Dunja hat.

Fazit
DIE RÜCKKEHR DES WÜRFELMÖRDERS ist ein schwedischer Kriminalthriller mit mehreren Handlungssträngen und Perspektiven. Es ist der 2. Band der Würfelmörder-Dilogie & der 5. Band der Fabian-Risk-Reihe. Der Nachfolger ist fokussierter aber auch vorhersehbarer als sein Vorgänger. Er ist brutal, erschreckend und spannend erzählt. Ich bin hin und her gerissen, Positives wie Negatives halten die Balance. Daher empfehle ich die Dilogie jedem, der Spaß an Zahlen hat, den die Prämisse des Zufalls interessiert & der sich nicht von brutalen Willkür getriggert fühlt (diese Geschichte ist nichts für zarte Gemüter und entspannte Leseabende im Dunkeln!)

Die Rückkehr des Würfelmörders| Stefan Ahnhem| 2. Teil einer Dilogie + 5. Teil einer Reihe| übersetzt aus dem Schwedischen von Katrin Frey| Ullstein Verlag| Juli 2020| 507 Seiten|10,99€