Anspruchsvolle und fesselnde Unterhaltung

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nordlicht Avatar

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Alex Junggeburt wird zum Missfallen der Dorfbewohner vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er nur sechs von neun Jahren wegen des Mordes an Janice Heckler abgesessen hat. Er hatte die leichtlebige junge Frau, die den Ruf der "Dorfmatratze" hatte, eines Nachts in betrunkenem Zustand "wie eine rollige Katze"ertränkt - dieser Meinung war jedenfalls das Gericht. Alex selbst kann sich an diese Nacht nicht erinnern, hat aber keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung, die auch durch die Aussage seines besten Freundes Lothar gestützt wurde.
Im Dorf herrscht Alex gegenüber großes Misstrauen, besonders seine ehemalige Lebensgefährtin Heike fürchtet seine Rache, denn ihre Aussage führte damals letztlich zu seiner Verurteilung. Auch die Tatsache, dass sie nach Alex´Inhaftierung die gemeinsame Tochter Saskia zu ihren Verwandten abgeschoben hat, um ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen, erregt den Zorn von Alex, der immer ein liebevoller Vater war und sich stets mehr um das Kind gekümmert hatte als Heike.
Seine Jugendliebe Silvie, die inzwischen mit Alex´ Freund Lothar verheiratet ist, glaubt als Einzige an die Möglichkeit seiner Unschuld. Sie will sich mit der offziellen Darstellung und den Vorurteilen der Dorfbewohner Alex gegenüber nicht abfinden und bohrt hartnäckig in der Vergangenheit herum, wodurch sie an einem weiteren Todesfall mitschuldig wird.
Die in der Gegenwart (2010) angesiedelte Handlung wird immer wieder durch Rückblicke in die Fünfziger, Siebziger und Achtziger Jahre unterbrochen, in denen die gesamte komplizierte Familiengeschichte der Junggeburts und der Familie Jentsch, der Heike und Silvie angehören, seit der Großelterngeneration aufgerollt wird. Der Leser erfährt eine Menge über die Kindheit von Alex als Sohn eines lieblosen Vaters und einer psychisch gestörten Mutter, die den Tod seiner großen Schwester Alexa nicht verkraftet hat und ihn sozusagen als "Ersatzkind" in die Welt gesetzt hat. So sprach sie ihn als Alexa an und ließ ihn Mädchenkleidung und eine Mädchenfrisur tragen. Erst als er deswegen im Schulalter gemobbt wurde, schritten Außenstehende ein.
Als junger Mann hatte Alex nichts Weibisches mehr an sich, sondern im Gegenteil sogar sehr viele Affären. Die von ihm fallengelassenen "Discoschnecken" sammelte dann sein Freund Lothar als Tröster auf.

"Die Schuldlosen" ist ein sehr komplexer Roman mit einer großen Anzahl an Figuren und einer recht verwickelten Handlung, den man mit Konzentration lesen muss. Er thematisiert Familienkonstellationen, den Umgang von Eltern mit dem Verlust eines Kindes, die Lage von Kindern ohne engagierte Eltern und nicht zuletzt die Entstehung und Hinterfragung von Vorurteilen.
Die Charaktere sind größtenteils gut ausgearbeitet, lediglich die Figur der Janice Heckler kam mir extrem überzeichnet und damit unglaubwürdig vor. Über Alex´weiteres Leben hätte ich im Epilog gern noch etwas mehr Informationen gehabt.

_ **Fazit:** _ Obwohl die Handlung kaum Thriller-Elemente aufweist und der Leser schon früh den weiteren Verlauf erahnen kann, entwickelt das Buch von Anfang an einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Für Leser, die auch etwas komplizierter konstruierte Krimis, die nicht nur der leichten Unterhaltung dienen, zu schätzen wissen, vergebe ich eine Leseempfehlung.  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")