Wagemut und Idealismus in den Wirren des beginnenden Nationalsozialismus

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Voller Idealismus und Tatendrang gründet eine Gruppe von Lehrern 1925 auf der Insel Juist ein privates, ganzheitlich orientiertes und als Internat geführtes reformpädagogisches Landerziehungsheim. Es war die erste reformpädagogische Schule Deutschlands, die auf einer Insel im Meer angesiedelt wurde, und sie erarbeitete sich in den Jahren 1925 bis 1934 einen überregionalen Ruf. Eine eigene Theaterhalle, Seewasseraquarien und eigene Gärten zur Selbstversorgung machen die Schule zu etwas Besonderem. Die jüdische Lehrerin Anni Reiner und ihr Mann Paul engagieren sich ebenso wie der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, Bruder des Schriftstellers Carl Zuckmayer.
Autorin Sandra Lüpkes, die viele Jahre auf der Insel Juist lebte, lässt die Geschichte der Inselschule auferstehen. Zahlreiche Personen werden ausführlich beleuchtet, wie der zehnjährige Schüler Maximilian, genannt Moskito, der sich anfangs vor lauter Heimweh nach seiner Familie in Bolivien schwer tut, in die Kameradschaft aufgenommen zu werden. Eine wichtige Rolle spielen die resolute Insulanerin Kea, die in der Küche das Sagen hat und deren eigentliche Herkunft lange ein gehütetes Geheimnis bleibt ebenso wie der Mitbegründer der Schule Martin Luserke, der auch heute noch als eine der bedeutenden Persönlichkeiten der deutschen Reformpädagogik gilt und als erster Pädagoge eine eigene Theorie des Schultheater entwickelt.
In jeder Hinsicht haben die Lehrkräfte mit dem harten Klima an der Küste zu kämpfen, denn schon bald nehmen die Spannungen mit den Insulanern zu, bei denen die Schule als Hort für Juden und Kommunisten verschrien ist. Auch als die Insel im katastrophalen Eiswinter 1929 wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten ist, können Schüler und Lehrer kaum mit Hilfe von außen rechnen.
Die Welt steuert auf einen Abgrund zu, der Nationalsozialismus beginnt sich immer mehr auszuweiten und kommt bald auf der Insel an, zunächst in Gestalt Gustav Wennigers, der sich zum Ziel gesetzt hat, nicht nur die Tochter eines Hoteliers zu heiraten, sondern Bürgermeister der Insel zu werden. Im gelingt es, Schüler der Schule am Meer für die nationalsozialistische Idee zu begeistern.
Vor dem Hintergrund der NS-„Gleichschaltung“ und des staatlichen Antisemitismus wurde die Schule, die einen besonderen Schwerpunkt auf eine musische, physische und handwerkliche Ausbildung ihrer Schüler legte, schließlich geschlossen.
Die Autorin hat nicht nur bestens recherchiert und in ihren Roman zahlreiche reale Personen aus dieser Zeit aufleben lassen, es ist ihr auch gelungen, mit diesem wichtigen Zeitzeugnis zugleich einen lesenswerten Roman zu schreiben, der nie langweilig hat und einen als Leser in den Bann zieht.