Tanz der Mittelmäßigkeit

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Die polnisch-amerikanische Schriftstellerin Eva Stachniak widmet sich nach Katharina II erneut einer großen Russin und betritt mit Ihrer Protagonistin Bronislawa Nijinska , der Schwester des legendären Tänzers Vaslav Nijinsky, nun das glatte Parkett des Balletts. Sie stützt sich dabei weitgehend auf Nijinskas Buch „Early Memoirs“ und auf nachgelassenes biografisches Material wie Tagebücher, Briefe, Interviews.

Wir erfahren zunächst Details aus der Kindheit dieser beiden russischen Ausnahmekünstler. Die Familie stammt aus Polen, beide Eltern sind Tänzer und auch Vaslav und Bronia haben nur ein Ziel: Sie wollen Tänzer an den kaiserlichen Theatern werden. Das Training ist hart, beide werden in die staatliche Ballettschule aufgenommen. Schnell stellt sich insbesondere Vaslav als großes Talent heraus , doch auch Bronia feiert erste Erfolge.
Nun ist die Tanzausbildung und das rasante Werden dieser beiden Ausnahmekünstler an sich schon ein Roman, doch leider erzählt Eva Stachniak diese frühen Jahre viel zu langatmig und auch der Tonfall ihrer Protagonistin hat etwas Betuliches.

Die Geschwister gehen nach Paris, wo der große Impresario Diaghilew gerade seine Ballets Russes zusammenstellt, Bronia und Vaslaw werden Solotänzer, der große Durchbruch aber kommt mit Vaslavs eigenen Choreographien, mit L’apres-midi d’un faun , Sacre du printemps und Jeux.
Die Ballets Russes wollten sich künstlerisch vom alten, zaristischen Tutu-Tanz lossagen, in Kunst, Literatur, frühen Filmen war der Expressionismus stilformend, und auch Ballette sollten nun – mit modernen Choreographien und Bühnenbildern – ausdrucksstärker werden. Die mit den Ballets Russes assoziierte Künstlerliste ist lang: Bakst, Picasso, Debussy, Strawinsky, Richard Strauss, Misia Sert, Man Ray, Gerald und Sarah Murphy, Max Reinhardt gehörten – wenn sie nicht direkt für die Aufführungen arbeiteten – zu den großen Bewunderern und gelten allesamt als Wegbereiter der modernen Kunst.

Diese schillernde Vorlage, diesen weltweiten Triumph versteht die Autorin nicht zu nutzen. Zwar lässt sie Bronia sagen:“ Aber die Kunst muss in Bewegung bleiben, sie darf nicht stagnieren und sich in bloß hübschen Belanglosigkeiten verlieren, … sie muss weiter voranschreiten. Das Mittelmäßige wird auf dem Müllhaufen der Geschichte enden.“ Eva Stachniak gelingt die Umsetzung dieses Anspruchs in ihrem Roman jedoch nicht. Hier gibt es nichts Modernes, nichts Innovatives zu entdecken. Genauso hausbacken und beliebig wie das unsägliche Buch-Cover des deutschen Verlags schreibt sie auch, niemals wird klar, warum Bronislawa die „Chosen Maid“ war, was ihre Tanzkunst und ihre Choreographien so einzigartig machte.

Das ist sehr schade und doch lässt sich im Versagen etwas Tröstliches finden. Tanzbegeisterte kennen Vaclav Nijinsky natürlich, auch heute kommen hin und wieder in Staatsballetten und freien Kompagnien seine Inszenierungen zur Aufführung. Und vielleicht bewirkt „Die Schwester des Tänzers“ eine kleine Renaissance, ein neues Interesse am alten und heute noch so sehr modernen Njinsky Ballett.