Leckere Mischung

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cara_11 Avatar

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Vorab: ich liebe Bücher. Und ich koche gerne. Kein Wunder, dass mich schon die Leseprobe (ein Kapitel, ein Rezept) in den Bann gezogen hat. Bisherige gelesene Koch-Romankombinationen wie z. B. „Die Männer, das Essen und ich“ oder „Madame ist willig, aber das Fleisch bleibt zäh“ hatten einerseits einen starken, autobiographischen Einschlag und eher leichtere "Kost" zu bieten, doch hat diese Geschichte, trotz aller Leichtigkeit eines Frauenromans und unbeschwerten Schreibweise – einen ernsten Aspekt.
Also war ich gespannt, wie der Spagat zwischen Ernsthaftigkeit, Frauenroman und Essen gelingen würde.

Nelly betreibt einen Foodtruck in Hamburg, wobei sie hier nicht nur mit neuer Konkurrenz, sondern auch der altklugen Art ihres indisches „Assistenten“, der auf jedes Problem mit einer indischen Weisheit aufwartet, zu kämpfen hat.
Ein Anruf ihrer Mutter relativiert jedoch diese Probleme – die Mutter ist gestürzt (beim Reinigen der Dachrinne) und hat sich eine Wirbelsäulenverletzung zugezogen, d.h. Nelly wird dringend in der Heimat benötigt, um sich um ihren – autistischen – Bruder Nils zu kümmern.
Total überfordert und gleichzeitig auch mit einem gewissen „Schuldgefühl" (ggü. dem Geschäft) überlegt Nelly anfangs nur, wie sie sich möglichst schnell ihrer Aufgabe entledigen kann. Dabei steht auch einmal die Idee im Raum, Nils für die notwendige Zeit in ein Heim „abzuschieben“, doch, spätestens beim Servieren des Abendessens in diesem Heim fasst Nelly sich ein Herz und fährt mit ihrem Bruder wieder nach Hause. Als Trotzreaktion auf die voreilige Stornierung der geplanten Reise durch eine altkluge, besserwisserische Nachbarin beschließt Nelly, die jegliche Anfrage ihrer Mutter, sie nach England, auf die Hochzeit eines Cousins zu begleiten, brüsk abgelehnt hat, doch mit Nils zur Hochzeit zu fahren.
Unterwegs ist ihr der Bruder teilweise peinlich (v.a. seine Puppe, die überall hin mitgenommen werden muss), doch erkennt Nelly immer wieder mit Erstaunen, wie wenig sie doch über ihren Bruder weiß und dass der voller Überraschungen - und auch ungeahnter Fähigkeiten, wie beispielsweise Düfte in Bestandteile zu zerlegen und auch verschiedenen Personen Düfte zu empfehlen, steckt.
Am Urlaubsort angekommen, gibt es natürlich eine Lovestory für Nelly, die auf – Cornwall lässt grüßen – auf anfänglicher, gegenseitiger Antipathie beruht. Aber alleine die Kulisse macht Sehnsucht nach England! Und natürlich verbessert sich auch das Verhältnis zwischen Nils und Nelly gravierend, und Nelly erkennt, dass erstens jeder Mensch ein gewisses Handicap hat und man auch Verantwortung nicht ganz alleine tragen muss. Lustig dazwischen auch die Telefonate mit ihrem indischen Assistenten, der dem Foodtruck, bei dem bisher Sandwiches auf der Tagesordnung standen, neues indisches Leben einhaucht.
Die charmante Idee, in jedem Kapitel ein Gericht zu erwähnen und am Ende des Kapitels das „beste“ Rezept für dieses Gericht abzudrucken, wird durch das ganze Buch hindurch aufrecht erhalten. Besonders nett ist dies z.B., wenn das Essen auf der Fähre als beinahe ungenießbar beschrieben wird, das Rezept jedoch einen ganz anderen kulinarischen Gewinn verspricht – man muss das fast ausprobieren!
Fazit: ein – trotz ernsten Tönen – leichter Frauenroman, der Lust auf England macht und gleichzeitig auch mit dem einen oder anderen durchaus leckeren Rezept aufwartet.