Ein ganz gewöhnliches Leben

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cara_11 Avatar

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Margarete wächst im beginnenden zweiten Weltkrieg in einem Dorf in der Eiffel auf. Ihr Vater, den die Mutter einst als Musikanten in der nahegelegenen Stadt kennengelernt hat, ist kein Bauer, aufgrund der Tatsache, dass er in den größten Hof im Dorf eingeheiratet hat, agiert er aber als Dorfkaiser im Namen der Braunen. Die Polen, die seine Landwirtschaft führen, dürfen nur beim Vieh im Stall leben und essen.
Dennoch erscheint das Dorf in den ersten Kriegsjahren voller Leben und Jugend.
Margarete, die als Jugendliche von einem Baum gestürzt ist und seither ein wenig zurückgeblieben erscheint, ist in ihren Cousin Niklas verliebt, der beim ersten Heimaturlaub von Margarete und seiner Mutter beschwört wird, zu desertieren. Margarete will nur weg aus dem Dorf, weg vom Leben auf dem Land. Niklas zieht jedoch wieder in den Krieg, nur kurze Zeit überbringt Margaretes Vater Johann Niklas Mutter den Brief, den alle Mütter und Väter in dem Dorf fürchten – die Nachricht vom Ableben Niklas.
Margaretes Bruder Micha kommt verwundet und zutiefst traumatisiert von der Front retour – doch nicht verwundet genug, um wieder eingezogen zu werden. Mit Margaretes Mithilfe verstümmelt er sich selbst und bewahrt sich so vor dem Schicksal, das viele andere im Dorf ereilt. Doch zu Ende des Krieges, als Amerikaner das Dorf durchkämmen, wird Micha in US-Gefangenschaft genommen.
Sehr lebendig und eindrücklich schildert Karl Blaser das Leben der kleinen Dorfgemeinschaft in den Kriegsjahren und danach, jedes Einzelschicksal berührt einen zutiefst. So auch das Leben der jungen Maria, die einst Micha versprochen war, doch Micha wollte nur weg aus diesem Dorf, weg von Johann, seinem gewalttätigen Vater, von Margarete, die diesem Unglück zusah. Maria beschließt, ins Kloster zu gehen, und fühlt sich wohl in der Gemeinschaft der Novizinnen. Doch als die Schwestern erfahren, dass Maria auf den Erbhof verzichtete, um ins Kloster eintreten zu können, wird sie aus dem Kloster geworfen und setzt ihrem Leben bald darauf selbst ein Ende.
Es mag verwundern, dass Johann, der neben anderen Schandtaten auch die Tochter der Polen, die bei ihm arbeiteten, vergewaltigt und seine Schwester und seinen Schwager sofort nach Kriegsende aus dem Haus geworfen hat, so offenbar unbeschadet aus der Geschichte herauskommt. Doch spätestens, als Margarete gegen den Willen ihres Vaters den mittellosen Theo ehelicht, fühlt man Mitleid mit Johann, da Theo sich als noch monströser erweist als sein Schwiegervater. Beinahe erleichtert atmet der Leser auf, als der gewalttätige Theo, der ohne Scham seine Frau mehrfach hintergangen und häufig grundlos geprügelt hat hat, zu Tode kommt. Doch auch dieses Unglück bringt Alexander, den Sohn Margaretes und Theos, der als Jugendlicher nach Problemen in der Schule plötzlich verschwand, nicht retour. Doch wenigstens verbleibt Margarete ein kleiner Lichtblick, als sie nach vielen Jahren der Ungewissheit erfährt, dass ihr Sohn in Frankreich eine große Karriere als Koch erlebt.
Margarete, die einst alles versucht hat, um dem Dorfleben zu entkommen und etwas Besonderes zu erleben, verbleibt ihr ganzes Leben in dem kleinen Nest in der Eifel und kümmert sich jahrein und jahraus um ihre Hühner. Doch als sie selbst und auch der Leser nicht mehr daran zu glauben vermag, dass eine Änderung möglich ist, tritt Micha wieder in ihr Leben und ermöglicht ihr ihren ersten Ausbruch aus dem ländlichen Gefängnis.
Karl Blaser hat mit „Die Stille im Dorf“ eine tiefgehende und sehr bewegende Familiensaga vorgelegt. Margaretes Schicksal ist eines von tausenden, ein ganz gewöhnliches Leben. Doch genau das berührt und trifft ins Herz.