Die Straße der Geschichtenerzähler

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mangobelle Avatar

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… befindet sich in Peschwar. Eine Stadt in Pakistan, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch zur britischen Kronkolonie Indien gehörte.
Ein großer Teil des aktuellen Romans von Kamila Shamsie spielt genau da. Die Handlung setzt allerdings kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Labraunda ein. Gelegen im Osmanischen Reich finden hier Ausgrabungsarbeiten statt an der auch die junge Engländerin Vivien Rose Spencer teilnehmen darf. Das war für die damalige Zeit durchaus noch ungewöhnlich, doch ihr wurde das durch einen langjährigen Bekannten ihres Vaters ermöglicht: Tashin Bay, der ebenfalls als Archäologe an den Ausgrabungen teilnimmt.
Obwohl sich die Beiden schon lange kennen, entfacht sich so etwas wie eine kleine Romanze, allerdings ganz im Stile der Zeit nahezu ohne Anfassen. Ihre Annäherungen werden abrupt beendet, als der Krieg ausbricht und Vivien schnell nach England zurückkehren muss. Droht doch das Osmanische Reich ein Gegner des Empires zu werden.

Ein Jahr später nimmt der junge Paschtune Qayyum an der Schlacht von Ypern teil. Viel erfährt man von den eigenen Kampfhandlungen nichts, denn er wird gleich bei den ersten Gefechten schwer verwundet und verliert ein Auge. Damit hat er fast noch Glück gehabt, den der Verlust von Gliedmaßen ist das Nach-Hause-Ticket.
Im Zug trifft er auf Vivien, die dem Kriegswirren in London – sie war als Krankenschwester tätig – entkommen will und in Peschawar hofft, den Stirnreif des Skylax zu finden. Einen Artefakt, nachdem Tashin Bay schon seit Jahren sucht.

Die Autorin war mir bisher kein Begriff, aber als junge Mama komme ich in den letzten Jahren auch kaum zu lesen. Auf der Seite des publizierenden Berlin Verlags habe ich folgendes gefunden:
„Kamila Shamsie wurde 1973 in Karatschi, Pakistan, geboren und lebt in London und Karatschi. Im Berlin Verlag erschienen bisher »Kartographie« (2004), »Verbrannte Verse« (2005), »Salz und Safran« (2006) und »Verglühte Schatten« (2009). Shamsie schreibt regelmäßig für den »Guardian« und erhielt für ihr literarisches Werk zahlreiche Preise, u.a. wurde sie 2013 als »Granta Best of Young British Novelists« ausgezeichnet.“

Ursprünlich dachte ich, ich würde einen Roman lesen, der während des Ersten Weltkriegs spielt und eine unerfüllte/ tragische Liebe zum Thema hat. Das habe ich auf den fast 400 Seiten nicht gefunden. Der erste Teil spielt in der Tat 1914/1915. Der Krieg ist zwar immer präsent, allerdings eher in seinen Auswirkungen als in Gestalt der Schützenkämpfe und anderen Kampfhandlungen.

1916 kommt es dann zu einem Schnitt, es folgen einige Seiten an Briefkorrespondenz ehe die Handlung im April 1930 wieder einsetzt und eigentlich nur noch ausschließlich in Peschawar spielt. In jenen Tagen wurde ein friedlich geplanter Widerstand gegen die Besetzungstruppen blutig niedergeschlagen. Bis heute ist wohl dabei strittig, wie viele Einwohner tatsächlich ums Leben gekommen sind.

Ein bisschen Erster Weltkrieg, ein Fünkchen verzweifelte Liebe, eine Prise Kolonialzeit und ein Quäntchen Widerstand also. Verpackt in eine durchaus gelungene Sprache. Das mich das ganze dennoch nicht fesseln konnte und ich doch einige Wochen an dem Roman las, lag sicher daran das es letztendlich nix Ganzes und nix Halbes war. Irgendwie hatte ich das Gefühl das viel angerissen wurde, mich aber dadurch die Geschichte nicht fesseln konnte.
Die Handlung plätscherte dahin und mir war zeitweise schleierhaft, warum dieser oder Jener jetzt so handeln muss. Und das Ende kann man dann auch nur mit einem Wort zusammenfassen: unbefriedigend. Denn irgendwie ließ das Ende schließlich den ganzen Roman als sinnlos erscheinen.
Es war keine Liebesgeschichte und auch kein Historischer Roman. Den für letzteres fehlte mir eine stärkere Einbindung in die Geschehnisse der Zeit. Der Ersten Weltkrieg spielte zwar im Hintergrund und wurde auch thematisiert, letztlich hätte alles aber auch einige Jahre früher oder später sein können.
Und der Aufstand von Peschawar 1930, den man die Hälfte des Buches übrigens aus mehreren Perspektiven verfolgen kann, war zwar teilweise spannend zu verfolgen, doch erschien mir der Schnitt zum ersten Teil zu groß, als das er sich gut in die Handlung einfügte. Es war fast schon ein anderes Buch – vor allem war das dadurch geschuldet, dass während des ersten Teils die „Helden“ mir nicht wirklich ans Herz gewachsen waren.
Leider kamen auch die eigentlichen Ausführungen über das Leben in Britisch-Indien zu kurz. Das was ich da las, war entweder Klischee oder ohnehin schon bekannt und sehr, sehr oberflächig. Eigentlich wirklich schade.

Allerdings möchte ich den Roman auch nicht verreißen, denn schlecht war er sicher nicht. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es genug Leser gibt, denen er durchaus gefallen könnte. Dennoch gehöre ich nicht dazu und daher gebe ich auch nur drei Sterne.