Ein sehr bewegendes Buch

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hasirasi2 Avatar

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London 1928: Der verhinderte Maler und Jura-Student Thomas Stafford und die wunderschöne Alice Eversley, eine Tochter aus reichem Haus, treffen sich auf einer Party wieder. Das letzte Mal haben sie sich vor 15 Jahren gesehen, als beide noch Kinder waren, aber sie sind sofort wieder voneinander fasziniert. Die sechs Sommerwochen, die sie damals miteinander verbracht haben, gehören zu den schönsten in ihrem Leben. Alles war noch so unbeschwert, frei und ohne Probleme. Aber kurz danach stirbt Alice Vater bei einer Forschungsreise und ihr Bruder im 1. Weltkrieg und auch Toms Vater kann die Kriegserlebnisse nie verwinden. Nichts ist mehr so, wie es war, die Kinder haben ihre Unschuld verloren.

London 1986: Nach dem Tod ihrer berühmten Mutter June, einer Balletttänzerin, hat sich die Fotografin Kate immer mehr zurückgezogen. Sie ist 27 und versteckt sich hinter ihren Fotos und in ihrer Dunkelkammer vor dem Leben und ihren Freunden. Nur zur Arbeit in Nicks Fotoladen geht sie noch, denn bei ihm kann sie so sein, wie sie ist - traurig. Er ist in ihren Augen alt und weise, war er doch einst ein berühmter Jetset-Fotograf und lebt jetzt ein neues, ruhiges, relativ einfaches Leben.
June wurde als Baby vor einem Waisenhaus ausgesetzt, aber sie hatte Glück. Ihre Begabung fürs Tanzen wurde schon früh von der reichen alleinstehenden Evelyn Darling entdeckt. Evelyn wollte auch mal Tänzerin werden, bis sie bei einem schweren Unfall ihren Verlobten und ihr Baby verlor und ihr Bein zertrümmert wurde.
Evelyn war für Kate nie wie eine richtige Großmutter, aber beide hatten nach Junes Tod nur noch sich, es war eine harmonische Zweckbeziehung.
Kurz vor ihrem Tod gibt Evelyn Kate einen Brief, dem eine Federzeichnung beiliegt. Das Bild ist auf das Jahr 1928 datiert und zeigt eine Frau, die genau wie June aussieht, aber das kann nicht sein, denn die war zu dieser Zeit noch nicht mal geboren ... Aber Kate gibt nicht auf und macht den Künstler ausfindig, der das Bild gemalt hat. Die Reise zu ihm wird zu einer Reise in die Vergangenheit und Kate findet endlich zu sich selbst. Denn dieses Bild verbindet das Schicksal der drei so unterschiedlichen Frauen.

„Ich glaube, wir alle tragen unsere Vergangenheit mit uns, in dicht übereinanderliegenden Schichten, wie bei einer Zwiebel. Irgendwo steckt noch jenes Mädchen in dir, auch wenn es inzwischen von neuen Schichten überlagert sein mag. Dieses Mädchen ist es, das dich zusammenhält; es ist dein eigentliches Inneres.“
„Die Stunde der Liebenden“ ist ein wunderschönes, gefühlvolles, sehr dramatische Buch und hat mich extrem bewegt, so wie kaum ein anderes in letzter Zeit. Es umfasst die Zeit von 1928 bis 1986, zwei Weltkriege, zwei Kontinente und mehrere Wirtschaftskrisen.

„Ich finde nicht, dass man sich schämen muss, wenn man das macht, was man liebt.“
Die Geschichte beschreibt, wie sich die Veränderungen in der Welt auf einzelne Bevölkerungsschichten und die Emanzipation junger Frauen in verschiedenen Jahrzehnten auswirkt.

„Damals habe ich begriffen, dass man seine Angst nur besiegt, indem man sich ihr stellt.“
Es geht um Sehnsüchte, Hoffnungen, Abenteuer und Freiheit. Um das Ausbrechen aus Konventionen und natürlich um die Liebe; um Nähe und das man diese auch zulassen muss. Es geht um Abschiede, Verluste und Angst vor der Zukunft. Und immer wieder um die verschiedenen Arten von Mut: ob Bleiben oder Gehen, beides erfordert manchmal sehr viel Mut.

„Du wünschst Dir eine Liebesgeschichte. Und ich habe Dir eine Liebesgeschichte erzählt – sie geht nur nicht so aus wie im Roman. Man könnte sagen, unserer Generation waren einfach nicht sehr viele Happy Ends vergönnt.“
Das Buch hat mir „ die Schuhe ausgezogen“. Es macht extrem nachdenklich und traurig. Die Geschichte bricht einem das Herz und lässt es gleichzeitig überfließen. Und das auf so vielen verschiedenen Ebenen. Man hätte verzweifeln und weinen können, aber die Protagonisten sind ja auch stark geblieben, also gibt man sich diese Blöße nicht.
Auch lange nach der Beendigung des Buches, hält es mich immer noch in seinen Fängen ...