Cover und Klappentext führen in die Irre

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
gudrun_4 Avatar

Von

Das wunderschöne Cover täuscht: Federleicht ist hier gar nichts.
Es ist ein Roman über unterdrückte und misshandelte Mädchen und Frauen, die zumeist von ihren Familien diesem Schicksal ausgesetzt wurden, weil sie nicht dem gesellschaftlichen Rollenbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts entsprachen. Drei Frauen, Louise, Eugénie und Geneviève ganz unterschiedlicher Herkunft werden vorgestellt und treffen in der Pariser Nervenheilanstalt La Salpêtrière für kurze Zeit aufeinander.
Auch der Klappentext täuscht, er suggeriert, dass der von vielen Insassen herbeigesehnte Ball eine Chance für Louise und Eugénie darstellt, aus ihren Rollen auszubrechen, dass sie, vielleicht sogar gemeinsam, mutig darauf hin arbeiten. Das wird aber dem tatsächlichen Lauf der Handlung nicht gerecht. Der rote Faden der Geschichte liegt für mich in der Verflechtung der Entwicklung von Geneviève, der „Altgedienten“, der langjährigen Oberaufseherin und Respektsperson in der Anstalt und Eugénie, der jungen, gegen ihre gesellschaftliche Rolle aufbegehrenden Tochter aus angesehener bürgerlicher Familie.
Was mich sehr irritiert, ist das in der Leseprobe nur gestreifte „Geister hören“, das zunehmend die Handlung bestimmt. Will die Autorin erreichen, dass der Leser daran glaubt und die Menschen mit dieser „Gabe“ als zu Unrecht verfolgte oder Geächtete sieht? Ich bin für einen solchen ins Sprirituelle abdriftenden Roman die falsche Zielperson.
Dieser Aspekt hat mir die guten Seiten des Buches verdorben. Der flüssige Schreibstil, die gut recherchierten historischen Fakten über die berüchtigte Nervenheilanstalt La Salpêtrière, die Verhaltensmuster der Väter von nicht normgerechten Töchtern, die Schilderung des Anstaltsalltages, all das war lesenswert und spannend. Doch insgesamt ist das kein Werk, dass die teilweise euphorischen Ankündigungen rechtfertigt. Ich bin enttäuscht und vergebe deshalb maximal 2 Sterne.