Guter Titel

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lapidar Avatar

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Frau Spratte eröffnet den Blick in eine Zeit, die im Gedächtnis der Mitteleuropäer, speziell der Deutschen immer noch nachwirkt. Zumindest in meiner Heimat in Süddeutschland, gibt es immer wieder Hinweise auf den Dreißigjährigen Krieg. Kaum ein Ort, der nicht mehrmals abwechselnd von der katholischen und der protestantischen Liga überrannt wurde.
Da mich diese Zeit sehr interessiert bewarb ich mich beim Verlag Francke-Buch um ein Rezensionsexemplar und bedanke mich, dass ich eines erhielt.
Annette Spratte greift sich eine bis dato wenig bekannte Figur heraus, die „Hungergräfin“ Louise Juliane zu Sayn Wittgenstein. Juliane und ihr Ehemann müssen für die damalige Zeit durchaus herausragende Charaktere gewesen sein. Denn ihr Mann, Ernst, überließ ihr die Regentschaft während er in Kriegsdiensten war und legte testamentarisch fest, dass Juliane, im Falle seines Todes die Staatsgeschäfte weiterführen sollte, bis deren Sohn volljährig war.
Ernst hatte sogar die Weitsicht, festzulegen, dass im Falle des Todes des einzigen Sohnes, seine Töchter die Erbfolge antreten sollten.
Das ganze Szenario erinnert ein wenig an Kaiserin Maria Theresia von Österreich.
Aus der Sicht der älteren Tochter, Ernestine, werden die Jahre des Kampfes ihrer Mutter um das Erbe ihrer Töchter beschrieben.
Die „bucklige“ Verwandtschaft des Grafen Ernst meldete nach dessen Tod Besitzansprüche an der Grafschaft an und blutete Land und Leute aus. Gräfin Juliane hatte wenige Unterstützer, aber kämpfte 12 Jahre vor Gericht, bis das Testament ihres Mannes Ernst letztendlich für rechtens erklärt wurde.
Während dieser Zeit wurden sie und ihre Töchter auch einmal in einem Schloss eingekesselt und ausgehungert. Daher der Name „Hungergräfin“. Die Absicht der Belagerer war, Juliane soweit zu bringen, dass sie von Rechtsansprüchen absah. Juliane und ihren Töchtern gelang, mit Hilfe von Unterstützern die Flucht.
In dem gut recherchierten Buch, versucht die Autorin, die Geschichte dieser drei herausragenden Frauen, Juliane und ihrer Töchter, für den Leser lebendig werden zu lassen.
Dies gelingt ihr aus meiner Sicht nur bedingt.
Der Leser erfährt nur wenig über den dreißigjährigen Krieg und die Hintergründe. Irgendwie hatte ich mir in dieser Richtung ein wenig mehr erhofft.
Aber was mir sehr gut gefallen hat, ist dass es Frau Spratte gelingt, das Bild einer verantwortungsvollen Herrscherin zu zeichnen, der es nicht allein um Machterhalt geht, sondern die sich um ihre Landeskinder kümmert. Im besten Sinne, wie es eigentlich ursprünglich gedacht war, für Lehnsherr(in) und Untergebenen.
Das Buch ist deutlich besser zu lesen, wie manche Biografien, die heutzutage unterwegs sind, es ist gut recherchiert und einige Fragen, die mir beim Lesen kamen, wurden dann doch im Nachwort noch beantwortet.
Den Buchtitel finde ich im Nachhinein eher „reißerisch“. Es wird zwar aus der Sicht von Ernestine erzählt, aber es geht um die Hungergräfin und eher am Rande um deren Töchter, für die sie kämpft.
Alles in allem ein interessanter biographischer Roman, allerdings besser verständlich, wenn man beim Lesen, immer mal wieder Wikipedia zu Rate zieht.