Wenn eine Mutter für das Erbe ihrer Töchter kämpft...

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lindarabbit Avatar

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Im Roman 'Die Tochter der Hungergräfin' geht es um wahre Begebenheiten aus dem 17. Jahrhundert, also zu einer Zeit als Frauen Nullkommanull zu sagen hatten, auch nicht als adlige Damen. Der Roman beruht auf dem realen Leben der Gräfin Louise Juliane von Sayn-Wittgenstein-Sayn (geborene zu Erbach), sie heiratete Graf Ernst von Sayn-Wittgenstein-Sayn, der jedoch jung verstarb. Mit Ernst bekam sie sieben Kinder, die meisten von ihnen verschieden noch im zarten Kindesalter, so auch der Stammhalter. Die Gräfin blieb allein zurück mit zwei Töchtern. Nur eines ihrer Kinder überlebte, für die damalige Zeit im hohen Alter, die Mutter. Während über die Mutter einen Wikipedia Eintrag existiert, sind die Kinder nur am Rande erwähnt.

Das heißt, im Roman wurden von der Autorin Wahres mit Fiktion vermengt. Zugegeben, sehr unterhaltsam. So in ungefähr umfasst der Roman den Zeitraum von 1636 bis 1652, allerdings mit Lücken.
Die älteste Tochter von Mutter Juliane ist Ernestine. Im Einstieg erfährt man über Ernestine, dass sie sich ziemlich ungebührlich benommen hat und ihre erste Zofe schlecht behandelte. Daraufhin wurde sie von der Mutter zurecht gewiesen (was ein wichtiges Licht auf die Mutter wirft, was diese für eine Person war). Die Mutter ist politisch ziemlich versiert, intelligent und besaß den Durchblick im diplomatischen Geschäft, doch musste sie immer wieder um ihre Rechte kämpfen, weil eben Frauen keine Rechte besaßen.

Autorin Annette Sprattes gut recherchierter Roman erzählt die Geschichte der Mutter und ihrer zwei Töchter, unaufgeregt, mit historischen Details, aber unterhaltsam dargestellt. Das Leben der Älteren, Ernestine, könnte so verlaufen sein. Könnte...

Das Buch ist im Francke-Verlag erschienen, das Umschlagsbild zeigt in kühlen Farben (blau-schwarz) eine gut gekleidete Person, die an einem vergitterten Fenster steht und mit ihrem angezündeten Leuchter wohl hofft, dass Rettung naht. (Im Gegensatz zu sonstigen historischen Romanen ist auch hier das Titelbild, passend zum Schreibstil, schlicht).

Das Buch interessierte mich, weil ich mit einem derer von Sayn – Wittgenstein gearbeitet habe. Sagen wir mal so, trotz seiner beachtlichen Verwandtschaft und Einbettung in den so genannten Hochadel – ein bescheidener Mensch, der mich zuerst irritierte, weil mir sein Führerschein überreicht wurde zur Anmeldung bei der Arbeit und ich las 'Prinz XY von Sayn – Wittgenstein'. So wie er bescheiden auftrat, könnte auch die Gräfin gewesen sein.

Der Adel hat lange Jahrhunderte große Bedeutung gehabt in Deutschland. Seit der Weimarer Republik nicht mehr und das ist auch gut so! Nichtsdestotrotz kann die historische Bedeutung von Aristokraten aufgearbeitet werden, denn dies gehört zum geschichtlichen Erbe der Bundesrepublik Deutschland. Bewunderswert ist, wenn 'echter Adel' bescheiden und anständig auftritt (genauso wie echte Filmstars mit Können), im Gegensatz zu angeheirateten Partner:innen und Filmstars mit minderem Talent...