Das Flair Barcelonas

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Ein dünnes Büchlein von gerade mal 250 Seiten – und das sollte ein Krimi sein, der mich anspricht? Eigentlich fangen richtige Bücher für mich ab 400 Seiten aufwärts an, doch bei diesem Gebinde muss ich eine Ausnahme machen. Standen vorab die Zeichen für dieses Buch gar nicht gut (relativ unansehnliches Cover, schon wieder ein Serienkiller, eine Protagonistin, mit der ich mich nicht identifizieren kann, …), muss ich nach dem Ende der Lektüre sagen, dass ich schon viele deutlich schlechtere Bücher gelesen habe.

Die Journalistin Anna Silber reist mit dem Vorhaben, einen Independent-Reiseführer über die katalanische Hauptstadt Barcelona zu schreiben, im Winter aus dem regnerischen München nach Barcelona, um dort gleich Hals über Kopf in ein Abenteuer zu stolpern. Bei ihrer Ankunft drückt ihr ein kleiner Junge eine Blechstück in die Hand, das offensichtlich von einer wenige Minuten zuvor ermordeten Person stammt. Dieser Tote bleibt aber nicht das erste Opfer, das Annas Weg kreuzt, denn ein Serienmörder geht um in den Gassen von Barcelonas und so kann sich niemand sicher sein, das nächste Opfer zu sein …

Scheinbar verkauft sich heute kein Krimi mehr ohne mindestens einen handelsüblichen Serienmörder, wie anders ist es sonst zu erklären, dass in „Die toten Gassen von Barcelona“ die baskische Stadt unsicher macht. Die Hatz nach dem Mörder ist das Grundgerüst, auf dem Stefanie Kremser ihre Geschichte aufspannt, doch gottseidank nimmt die Hatz nicht das ganze Buch in Anspruch, sodass noch genügend Platz für Lokalkolorit ist. Zwar regten mich die dauernden Männergeschichten von Anna während des Buches auch ziemlich auf (fast mit jedem männlichen Protagonisten hätte Anna gerne was und die letzten beiden sind schwul), doch das wird allemal durch die atmosphärische Beschreibung der katalanischen Metropole aufgewertet. Man erfährt viel über die verbrecherischen Umtriebe der Immobilienspekulanten, die dem alten, authentischen Barcelona den Nährboden entziehen. Die Lebensprobleme der Menschen in den alten Vierteln werden gut dargestellt und man meint sich förmlich in die toten Gassen Barcelonas hineinversetzt zu fühlen und mit Anna die Viertel zu durchstreifen.

Bestimmt ist „Die toten Gassen von Barcelona“ _das_ Thriller-Highlight nicht, sondern eher ein ruhigerer Krimi, der sich aber hervorragend für den Urlaub (auch zu Hause) eignet, da er gekonnt das Flair Spaniens transportiert und für eine Ablenkung vom Alltag sorgt.

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)