Einsamkeit auf Britisch

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lialuna Avatar

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_Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim_ lag nun einige Wochen auf dem Stapel meiner ungelesenen Bücher. Einige Male hatte ich das Buch in der Hand, und gab dann aber doch einem anderen den Vorzug. Vielleicht lag das daran, dass ich befürchtete, das Buch sei zu melancholisch für dunkle Winterabende. Und nun, da ich es gelesen habe, muss ich sagen, das man es vielleicht wirklich besser nicht lesen sollte, wenn man sich selbst gerade einsam fühlt.

Maxwell Sim ist, wie der Titel ja bereits verrät, ungeheurlich einsam. Seine Frau hat ihn verlassen und seine Tochter mitgenommen. Irgendwann beschließt er nicht mehr zu seiner Arbeit in einem Kaufhaus zu gehen und bleibt einfach zu Hause. Max sehnt sich nach menschlichen Kontakten, so sehr, dass er sich als sein Handy gestohlen wird, fast mehr über die fehlgeschlagene ersehnte Kontaktaufnahme ärgert, als über den Verlust des Telefons. Außer denen bei Facebook, die er eigentlich gar nicht kennt, hat Max keine richtigen Freunde. Und auch das Verhältnis zu seinem Vater, der im fernen Australien lebt,  war noch nie das beste. Am Tiefpunkt seines Lebens bekommt Max ein Angebot. Um den Slogan einer Zahnbürsten Firma _Keine kommt weiter_ zu propagieren, werden vier Vertreter in die entlegensten Gegenden Englands geschickt, unter ihnen Max. Eine Reise in seine Vergangenheit beginnt.

Mehr soll vom Inhalt nicht verraten werden. Die Geschichte lebt auch weniger von den Ereignissen, sondern viel mehr von den Gedanken der Hauptperson. Ich glaube, man kann Maxwell Sim nur lieben oder hassen. So ging es mir jedenfalls beim lesen. Stellenweise ging er mir auf die Nerven, stellenweise konnte ich mich sehr gut in ihn hineinfühlen. Aber unabhänig davon, ob ich ihn nun gerade in mein Herz geschlossen hatte oder nicht, gefiel mir Jonathans Coes Art zu erzählen das ganze Buch hindurch sehr gut und mehr als einmal ist es ihm gelungen, mir ein ganz zauberhaftes Schmunzeln zu bescheren.

Insgesamt gibt es im Buch vier längere Einschübe. Oft empfinde ich so etwas als störend, weil der Lesefluss unterbrochen wird und man wissen will wie es in der Hauptgeschichte weitergeht. Jonathan Coe gelingt es aber meiner Meinung nach, die Geschichten in der Geschichte gut zu integrieren und sie haben mich keinesfalls gelangweilt, wie auch das ganze Buch mich nicht gelangweilt hat. 

Warum der Verlag das Buch im Klappentext als einen amüsanten Schelmenroman über unsere Zeit bezeichnet bleibt mir allerdings ein Rätsel. Ich finde es über große Stellen hinweg weder amüsant, noch kann ich typische Merkmale für einen Schelmenroman erkennen. Oberflächlich betrachtet mag man vielleicht Gemeinsamkeiten erkennen, beschäftigt man sich aber näher mit den ursprünglichen Schelmenromanen, wie beispielsweise Lazarillo de Tormes, wird klar wenig diese Bezeichung zu diesem Buch passt.