Am Pol der kalten Herzen

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spaghettimonster Avatar

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Eigentlich haben mich Cover und Titel sofort angesprochen. Die phantastische und geheimnisvolle Zeichnung des schwebenden Schlosses hat mich neugierig gemacht auf die Welt, die Christelle Dabos erschaffen hat. Aber die Reihe besteht schon aus mächtigen Wälzern, also habe ich erst einmal gezögert mit dem Lesen zu beginnen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Seiten nur so dahinfliegen und ich das Buch in wenigen Tagen gelesen hatte.

Wir lernen Ophelia kennen, die ein wenig verschroben und eigenbrötlerisch ist. Niemals unfreundlich, aber doch wenig gesellig. Die Welt ist zersplittert, um ihren Kern herum schweben Reste der Erdkruste, die Archen genannt werden. Jede Arche beherbergt ein (oder mehrere) Familienclans und hat eine/n Ältesten. Ophelia wohnt auf Anima und gehört zu den Animisten. Diese können Gegenständen „Leben“ einhauchen und so gibt es kaum etwas auf Anima, dass unbelebt ist. Möbel drücken ihr Unbehagen durch Knarren und Poltern aus, Telefone verbinden sich selbst mit dem richtigen Anschluss und Ophelias alter Schal kuschelt sich eng an ihren Hals, wo er auch bisweilen einschläft. Außerdem können Animisten in Gegenständen „lesen“. Sie können die Gedanken und Gefühle erkennen, die Menschen hatten, während sie die Gegenstände berührten. Dafür müssen sie den Gegenstand anfassen – was natürlich auch Erinnerungen darauf überträgt. Trotzdem eine sehr nützliche Fähigkeit, genauso wie eine Eigenart, die Ophelia hat: Sie kann durch Spiegel wandern, solange diese nicht zu weit auseinander stehen. Auf eine andere Arche kann sie so nicht gelangen und überhaupt kennt sie außer Anima nicht viel. Als sie verheiratet werden soll, kann sie kaum noch ablehnen, denn das hat sie bereits mehrfach getan. Also sagt sie zu, auch wenn ihr Verlobter auf der Arche namens „Pol“ lebt, vermutlich echte Überreste eines Pols. Zumindest ist es dort ständig kalt und die Sonne wandert kaum über den Himmel. Auch die Stimmung ist dort frostig, denn scheinbar hassen sich die Menschen dort gegenseitig. Unter einer Fassade von Glitzer und Freundlichkeiten brodeln tiefe Feindschaften zwischen den Clans.

Auch ihr Verlobter Thorn wirkt eisig und unfreundlich, aber man weiß einfach, dass Ophelia sein Herz schmelzen wird. Obwohl sie es nicht wirklich versucht, aber sie hat auch genug andere Probleme. Er ist der perfekte Bad Boy und auch sonst gibt es wenig Charaktere auf Pol, denen man vertrauen kann. An diesem Punkt fühlte ich mich ein wenig in die Verstrickungen an einigen Höfen von Game of Thrones versetzt. Natürlich ist es eher eine Jugendgeschichte, trotzdem finde ich den Harry-Potter-Vergleich auf dem Buch eher unpassend.
Ophelia ist eine ganz eigene Heldin und muss erst einmal allein bestehen. Sie hat keine Freunde und kann sich eigentlich an niemanden gefahrlos wenden. Ihr Verlobter redet nicht viel, lässt sie aber wissen: „Du wirst deinen ersten Winter hier nicht überleben.“

Ich bin begeistert von diesem Buch und der ganzen Welt, die die Autorin hier erschaffen hat. Ich mag Ophelia, auch wenn sie manchmal wiedersprüchlich handelt. Sie ist schüchtern und leise, sagt aber trotzdem ihre Meinung. Diese Ehrlichkeit tut ihr nicht immer gut und natürlich gerät sie auch dadurch in Schwierigkeiten. Aber sie ist liebenswert und macht ihren Weg, trotz aller Widrigkeiten auf dieser lebensfeindlichen Arche.