Ein gelungener Reihenauftakt mit Suchtfaktor.

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kianu Avatar

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Vor langer Zeit wurde die Welt wie wir sie kennen durch eine Katastrophe zerstört und treibt seither in 21 Archen zerstückelt verstreut um den Weltkern. Auf einer dieser Archen, genauer gesagt auf Anima, lebt Ophelia mit ihrer Familie.
Animisten wie sie haben einen besonderen Bezug zu Gegenständen, können diese beispielsweise durch die pure Berührung reparieren, bewegen oder in den Seelen und Gefühlen ihrer früheren Besitzer lesen.
In letzterem ist Ophelia sehr gut und kann zudem durch Spiegel reisen, in die sie bereits vorher schon einmal geblickt hat.
Doch ihr friedliches Dasein auf Anima wird jäh unterbrochen, als über ihren Kopf hinweg eine Ehe mit Thorn von der Arche Pol arrangiert wird. Nicht nur seine abweisende Art schreckt Ophelia ab, auch seine Welt, die dem ewigen Winter Skandinaviens gleicht, macht den bevorstehenden Umzug nicht gerade einfach für sie.
Und warum wurde ausgerechnet sie erwählt? Warum darf niemand wissen, dass sie es ist, die Thorn heiraten muss? Bevor sie Stück für Stück der Wahrheit näher kommt, ist Ophelia längst eine Spielfigur in einer tödlichen Verschwörung geworden.

Ich muss zugeben, dass ich einige Zeit gebraucht habe, um in das Buch zu finden, denn irgendwie war Die Spiegelreisende: Die verlobten des Winters anders, als alles, was ich vorher gelesen habe. Größer, intensiver und phantasievoller und nicht zuletzt verworrener.
Doch nach dem ersten Viertel hat es plötzlich klick gemacht und ich war tief in Ophelias Welt verschwunden und wollte gar nicht mehr zurückkehren.
Woran das genau lag kann ich gar nicht richtig in Worte fassen, aber vielleicht konnte ich endlich abschalten und mich fallen lassen.

Autorin Christelle Dabos beginnt ihre Geschichte langsam und gemächlich. Führt ihre Figuren nach und nach ein und lässt den Leser behutsam in ihre erschaffene Welt gleiten.
Gleich zu Beginn lernen wir Ophelia kennen und schon hier merkt man die erste Besonderheit.
Anders als viele Hauptprotagonisten in diesem Genre ist sie keine geborene Abenteuerin. Kein neuer Bad Ass Charakter, der allen von Anfang an zeigt wo der Hammer hängt. Sie ist weder besonders grazil, noch anmutig oder gar von Schönheit durchdrungen. Ophelia ist eben Ophelia, eine Museumskuratorin, die sich schüchtern unter ihrem Schal versteckt um bloß keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – doch durch ihre tollpatschige Art erreicht sie oft nur das Gegenteil.

Die zweite Besonderheit ist definitiv die Welt, in der sich die Protagonisten bewegen. Auf den ersten Blick mag sie oft etwas altmodisch und rückständig erscheinen, soll Ophelia doch beispielsweise durch ihre Familie mit einem völlig Fremden zwangsverheiratet werden. Und auch ihr Verlobter Thorn ist kein Mann, der weiß, wie man eine Frau behandeln sollte. Unsympathisch war wohl das erste Wort, was mir für ihn einfiel.
Aber sobald man auf dessen Heimatplaneten Pol ankommt öffnet sich die Welt und auch die Geschichte wie Ophelia selbst.
Alles dreht sich um den Schein und ihn zu wahren und bald bekommt die zukünftige Braut ebenfalls zu spüren, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen kann, um in dieser politischen Welt irgendwie zu überleben. Trotzdem sucht sie Verbündete, fällt dabei zwar oft auf ihre Hinterbeine, aber steht unermüdlich wieder auf. Die Charakterstärken, die man anfangs oft vergeblich bei ihr gesucht hat kommen plötzlich zum Vorschein und sie entwickelt sich zu einer Person, die man selbst gerne als Freundin hätte.

Pol selbst zeigt sich uns in schmutziger, hinterlistiger und unmoralischer Art und Weise, wie Politik definitiv nicht gemacht werden sollte. Es gibt soziale Rivalitäten, kriegerische Klans, romantische Skandale und tiefsitzende Feindschaften. Es ist eine verräterische Welt durch die sich Ophelia manövrieren muss, ohne dabei in actionreiche Kampfszenen abzudriften – denn der Spannungsbogen ist auch ohne diese Hau-drauf Methode mehr als hoch.

Die Spiegelreisende: Die verlobten des Winters ist das erste Buch einer Serie, dementsprechend endet es auch an einen zentralen Punkt und mit einem Cliffhanger, der einen förmlich nach der Fortsetzung schreien lässt.
Ich freue mich bereits jetzt schon wahnsinnig darauf im Sommer erneut mit Orphelia zusammen in diese Welt der Archen abzutauchen, keinem zu trauen und sie weiter wachsen zu sehen.

Eine magische Geschichte mit einer einzigartig außergewöhnlichen Protagonisten und einer atemberaubenden Welt.
Ein gelungener Reihenauftakt mit Suchtfaktor.