Zauberhaft und brutal zugleich

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barbarasbuecherbox Avatar

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Ophelia braucht nicht viel, um glücklich zu sein.
Ihr Schal – ein Golem, der mittlerweile nicht mehr versucht sie zu erwürgen – und ihr Museum sind genug für sie.
Was sie ganz sicher nicht braucht, ist ein Verlobter, doch genau den soll sie bekommen. Als wäre das nicht schon beängstigend genug, ist dieser zudem noch von einer fremden Arche: dem Pol – einem unwirtlichen Ort, an dem immer Winter herrscht und an dessen Hof intrigiert, geneidet und gemordet wird. Ein absoluter Schock für Ophelia, deren Verlobter Thorne sich nicht nur als fast schon grausam verschlossener Mann herausstellt, sondern auch als Bastard am Winterpalast gehasst wird, was sie als Verlobte zu einem idealen Spielball der Mächtigen macht, die sie allesamt sofort dazu einsetzen, Thorne zu verletzten.
Wenn die nur wüssten, dass Thorne nicht nur kein Interesse an seiner Verlobten zeigt, sondern Ophelia fast schon dazu drängt, die Verlobung zu lösen.
Doch das ist unmöglich und so landet Ophelia in einer wahren Schlangengrube, in der es unmöglich scheint, lebend herauszukommen …

Ophelia steht Harry Potter in nichts nach! So steht es zumindest auf dem Klappentext. Macht mich skeptisch, sowas, denn Harry Potter im Speziellen war aufgrund der viel jüngeren Protagonisten nie wirklich meine Geschichte und Jugend-Fantasy im Allgemeinen schreckt mich doch sehr ab. Zu viel Gefühle im Angesicht zu großer Gefahren und wieso liegt das Schicksal der Welt immer in den Händen von Teenager, die kaum aus den Augen sehen können vor lauter Hormonen?
Doch Ophelia ist nicht 16, sie ist 19 – und im Gegensatz zu all den anderen Geschichten, in denen wir jungen Protagonisten folgen, agiert Ophelia sehr ihrem Alter entsprechend.
Sie ist kein starker Charakter: sie hat kaum Selbstbewusstsein, ist tollpatschig (ein Spiegelunfall, Sie verstehen) und hat keinerlei Interesse an Männern und Jungs. Meist behält sie ihre Meinung für sich und wirkt dadurch auf den Leser anfangs schwach. Das ändert sich jedoch, als sie sich am Hof des Mondpalastes befindet und trotz unzähliger Grausamkeiten – sie hat keine Verbündete, selbst ihr Verlobter und dessen Tante scheint sie zu hassen und muss mit körperlicher und mentaler Gewalt zurechtkommen – standhaft bleibt.
Nach den ersten hundert Seiten hatte ich sie – und auch ihre Tante – vollends ins Herz geschlossen.
Und auch die Welt.
Denn wir befinden uns nicht in einer Fantasy-Welt, die mit unserer nichts gemeinsam hat, sondern vielmehr viele Jahre in der Zukunft. Die Erde ist zerbrochen und hat sich zu verschiedenen Schollen, sogenannten Archen, zerteilt, auf denen die verschiedenen Menschen leben. Die Population wirkt stark reduziert und Hochzeiten finden fast ausschließlich innerhalb der Familien statt.
Doch entgegen unserer Welt (zumindest, soweit ich weiß) haben die Familien verschiedene Gaben, die sie leider fast ausschließlich zu schlechten Zwecken einsetzen.

Man könnte dem Buch nun vorwerfen, dass es sehr ruhig ist. Das ist es auch, es passiert anfangs nur sehr wenig und die Beweggründe der Charaktere bleiben sehr lange im Dunkeln.
Man könnte ihm auch vorwerfen, die Magie wäre zu willkürlich. Das ist sie auch, denn wir wissen nicht, woher sie kommt und welchen Preis die Menschen – von Unmenschlichkeit einmal abgesehen – dafür zahlen müssen.

Doch im Gegenzug dafür erhält man eine so zauberhafte Geschichte, die einen schockiert und begeistert gleichermaßen zurücklässt, dass man über kleinere Widrigkeiten leicht hinwegsehen kann.

Eine große Empfehlung meinerseits.