Zwischen Illusionen und Intrigen

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combatwombat Avatar

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Ophelia lebt in einer Welt, die unserer Erde sehr ähnelte, bevor sie in zahlreiche Archen zerbrach. Die Bewohner ihrer Arche zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine ganz besondere Beziehung zu verschiedenen Gegenständen aufbauen können – Ophelia selbst ist begabt im „Lesen“; durch ihre Berührung kann sie die Geschichte eines Gegenstands erleben; außerdem kann sie durch Spiegel reisen.
Als ihr eröffnet wird, die Matriarchinnen ihrer Arche hätten eine Ehe arrangiert, ist sie verständlicherweise überhaupt nicht begeistert von der Aussicht, zu einem unbekannten Mann in dessen unwirtliche, eisige Heimat ziehen zu müssen, noch dazu an einen Hof voller gefährlicher und mächtiger Personen, die stets nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und dafür auch über Leichen gehen.
Da auch ihr Verlobter kein allzu großes Interesse an Ophelia zeigt, stellt sich schnell die Frage, wer genau von ihrer Verbindung profitieren soll.
Dabos‘ flüssiger, nicht allzu fordernder Schreibstil ließ mich das Buch recht schnell verschlingen, spannende Wendungen taten ihr Übriges. Ein wenig zu häufig wurden bestimmte Charaktereigenschaften oder sonstige Eigenheiten der Figuren und Gegenden betont.
Der etwas langsame Einstieg ist sicher der Tatsache geschuldet, dass hier der Grundstein für ein mehrbändiges Werk gelegt wird, auch nimmt das Buch schnell Tempo auf.
Die Figuren wirken größtenteils stimmig, auch wenn diejenigen abseits der Protagonisten teils etwas eindimensional bleiben.
Ophelia ist keine glatte Heldin, sondern eine introvertierte, schusselige, nicht auf ihr Aussehen bedachte junge Frau, die trotz ihres unscheinbaren Wesens über viel Stärke verfügt, was grundsätzlich sehr angenehm wirkt, aber stellenweise überbetont wird. Richtig warm wurde ich mit ihr nicht.
Dennoch ist sie erfrischend eigensinnig und pfeift auf Konventionen.
Sehr positiv fand ich auch, dass die Handlung nicht ins Kitschige abdriftet und bisher das typische „zwangsweise zusammengewürfelte Personen erkennen schnell, dass sie für einander geschaffen sind“ – Schema ausblieb. Vom „harte Schale, weicher Kern“-Klischee bleibt man aber nicht komplett verschont.
Auch die Steampunk-Elemente wie Luftschiffe und salonartige Aufzüge sowie Teleport-Sanduhren schaffen eine schöne Atmosphäre.

Ich werde die Nachfolgebände sicher lesen. Dadurch, dass das Buch ein offenes Ende hat und nicht ganz in sich abgeschlossen ist, würde ich das Buch aber niemandem empfehlen, der keine Lust auf das Lesen einer Reihe hat. Auch ist es vielleicht etwas zu verworren und düster für allzu junge Leser*innen.
Dass das Buch als Harry-Potter-ähnlich beworben wird, ärgert mich ein bisschen. Zum Einen werden wirklich sämtliche Fantasy-Romane so inflationär als „neuer Harry Potter/Herr der Ringe/ASOIAF“ betitelt, dass es keinerlei Aussagekraft mehr hat. Zum Anderen werden dadurch bei einigen Käufern dennoch falsche Erwartungshaltungen geschürt. So bin ich auch hier der Ansicht, dass der Roman mit Harry Potter rein gar nichts zu tun hat, abgesehen von der jungen Protagonistin mit Brille in einem Fantasy-Setting.