Die Wahrheit sagen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
pixibuch Avatar

Von

Ein Buch, das einen erschlägt. Es zieht den Leser derart in den Bann, dass man alles stehen und liegen lässt und nur noch vom Leben des Bernhard Mares geimpft ist, man möchte immer noch mehr wissen. Der Umschlag dieses Buches finde ich ist total falsch gewählt, nichtssagend und oberflächlich, der Tiefe und der Ernsthaftigkeit des Buches nicht angemessen. Die Geschichte fängt ziemlich lapidar an. Ein junger Schriftsteller kommt von einem feuchtfröhlichen Abend in sein Wochenendhaus. Das letzte Stück des Weges schickt er das Taxi zurück und möchte gehen. Da sieht er auf der Müllhalde eine Hütte stehen, aus der Licht dringt. Er klopft an und lernt einen alten Mann kennen, der ihm seine Geschichte erzählen wird, im Gegenzug soll der Schriftsteller Sophie, seine große Liebe finden. So versinken wir in der Welt des Bernhard Mares. Und dieses Leben soll es wirklich gegeben haben, es also der Wahrheit entsprechen. Ich glaube aber kaum, dass dieser Mann Mares hieß. Er (Mares) ist das Produkt einer Ballpause an Sylvester. Seine blutjunge Mutter bringt ihn in einer Straßenbahn in Wien zur Welt und legt ihn vor einer Kirche ab. Der Priester gibt ihn an eine Frau, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht. Er hat es gut. Aber sie wird durch Lügen denunziert und das Kind kommt in ein Waisenhaus zu strengen Nonnen. Nur mit Rudy liest er sich dank eines kleinen Büchleins in ferne Länder und Abendteuer. Nach dem Waisenhaus beginnt er eine Lehre als Bäcker und danach meldet er sich freiwillig als Soldat bei der SS, denn er will auch irgendwo dazugehören. Der Krieg ist grausam, schlimme Erlebnisse lassen ihn erwachsen werden. Er kommt in Haft, danach wird er als Dolmetscher bei den Russen eingesetzt. Später wird er Staatssekretär in der tschechischen KP. Weil er aber immer sagt was er denkt, wird er wieder eingesperrt. Er kommt in Einzelhaft, tritt in den Hungerstreik, niemandkann ihn brechen. Er ist 20 Jahre seines Lebens insgesamt inhaftiert. Während seiner Zeit bei der SS lernt er das junge Mädchen Sophie kennen, eine Jüdin, deportiert. Die beiden verbindet eine unheimlich große und innige Liebe, die sich durch das ganze Buch zieht, obwohl sie sehr viel getrennt sind. Nach der Haftentlassung ist Bernhard 45 Jahre alt und muß sein Leben neu ordnen. Er wird Inhaber einer Bar in Hamburg, lernt Gitty kennen und als er dann zu Geld kommt, geht er für einige Jahre nach Venezuela, weil dort seine Mutter gelebt haben soll. Wir erleben das Leben des Bernhard Mares bis zu seinem Tod. Am Ende ist Mares ein alter, verbitterter Mann von 84 Jahren. Das Buch ist teilweise in sehr vulgärer Sprache, im Gassenjargon geschrieben. Dann wechseltesaber wieder in Passagen, die voller Poesie sind. Wunderbare Naturbeschreibungen, Zitate. Zwischen den einzelnen Kapiteln erzählt auch der Autor sein Leben, das durch zu viel Alkohol geprägt ist. Er verbringt auch Zeiten in der Psychiatrie, betreibt aber auch auf der indonesischen Insel Siberut eine Art Missionsdienste. Was mir an dem Buch auffällt, ist das reinweiße Papier, auf dem die Erzählung abgedruckt ist. Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch so viel überstehen kann und doch mithilfe der Liebe immer wieder auf die Beine kommt. Ja, auf der Titelseite steht, ein brutaler Roman. Dem muß ich voll und ganz zustimmen. Die Inhalte sind detailliert dargestell mit den dazu passenden Überschriften. Das Buch ist wie eine Krankheit, mit der man infiziert wurde. Ich kann nur raten, dieses Buch zu lesen.