Ein besonderer Zeitzeuge

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wallerie0 Avatar

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Bernhard Mares, eine bewegende Biographie, an der nicht Fakt an Fakt gereiht ist. Manchmal treiben seine Gedanken auch nur so dahin. Mares wechselt oft die Seiten, ob nun ungewollt oder provoziert, und bleibt doch immer er selbst; offen, aufgeschlossen und distanziert. Diese Distanz ist dabei eher ein Resultat seiner Erfahrungen und der Skepsis in die menschliche Natur. Es ist für mich weniger die Liebe zum Leben, die ihn alles überstehen lässt, sondern vielmehr seine besondere Sicht auf das Leben. Und was ihn trägt ist eher die Liebe zu einer Frau, Sophie Rubinstein, sowie die frühe Erkenntnis, dass man doch letzten Endes immer allein ist in dieser Welt, in seinem Leben. Menschen kommen und gehen. Auch wenn sie einige Zeit neben dir gehen, bleiben es doch Intermezzi. Schon seine freudlose Kindheit lässt in ihm diese Feststellung reifen. Doch er hadert nie. Es ist eben so. Er ist wahrlich nicht zu beneiden, dieser Bernhard Mares. Ein hartes Leben was man selbst nicht führen möchte, so mitten in den zeitgeschichtlichen Zerwürfnissen. Doch ich beneide ihn sehr um seine Sicht auf all das und vor allem, wie er damit umgeht. Er nimmt, was er bekommt und macht das daraus, was eben geht. Und genau das ist das besondere an ihm. Er lebt und erlebt, er liebt und leidet. Und all das spielt sich vor geschichtlicher Kulisse ab – Vorkriegszeit, Zweiter Weltkrieg, der politische Umbruch danach. Auf der Rückschau auf sein bisheriges Leben begleitet ihn ein junger Schriftsteller. Doch er ist nie ein wirklich ebenbürtiger Gesprächspartner. So beeindruckt ich von Mares bin, umso schlechter kommt der Schriftsteller bei näherer Betrachtung weg. Die Unterschiede zwischen beiden Männern sind sehr groß. Der eine erfahren, der andere dagegen regelrecht naiv und besserwisserisch. Viel wissen prägt und verändert eben so nicht im geringsten so, wie viel erlebt zu haben. Ob Mares bei all dem Erlebten tatsächlich unschuldig geblieben ist, liegt im Auge des Betrachters. Er was überall dabei, wenn auch nur in der zweiten Reihe. Und er wusste auch stets, was richtig oder falsch ist, dennoch konnte er sich nie wirklich entziehen. Es ist nicht am Leser, den Stab über ihn zu brechen. Er hat gelitten und somit auch gebüßt. Ich glaube nicht, dass ich unter gleichen Umständen überlebt hätte. Andere wären verzweifelt, desillusioniert, zermürbt. Mürrisch ist auch Mares mit den Jahren geworden, doch er ist immer noch stark. Er lässt uns an seinem Leben teilhaben, tief in selbiges hineinschauen („wie ein Chirurg in einen geöffneten Brustkorb“ S. 19) und legt dabei auch ein einzigartiges Zeitzeugnis ab. Der etwas kantige Schreibstil, der mitunter etwas holprig zu lesen ist, verdeutlicht aber dadurch auch sehr gut das Auf und Ab, das Hin und Her in Mares´ Leben. Ausufernd, präzise, spannend, schonungslos, kontrovers, abwechselnde Erzähltempi. Glück haben, Unglück erleiden, Menschen, die helfen, Menschen, die zerstören – all das hat an der Hauptfigur geschliffen, genagt und modelliert. Doch der Kern ist geblieben.