Zwei sind ein Rat, drei sind Verrat

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ismaela Avatar

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Der deutsche Titel dieses Buches lautet "Die Wahrheit sagen" und kam bereits 2008 in Tschechien auf den Markt. Dort war es ein großer Erfolg. Hier in Deutschland ist der Autor anscheinend (noch?) nicht so präsent, jedenfalls konnte ich z. B. auf Amazon dieses Buch nicht finden - auch andere Bücher des Autors sind etwas rar gesät...

Was mich an diesem Buch sofort gefesselt hat, war das interessante Cover. Eine wunderschöne, aber sehr nüchterne, grafische Gestaltung, die auch gerne nach hinten losgehen kann, aber in diesem Fall hat sie mich sehr angesprochen. Auch das Format - ein Handtuchformat - war mal etwas anderes.

Worum gehts?

Der alkoholkranke Schriftsteller Josef Formánek entdeckt spätabends nach einer Sauftour auf einem Müllberg eine kleine Laube, möchte der Sache auf den Grund gehen und lernt auf diese Weise den gut 80-jährigen Bernhard Mares kennen. Ein leicht verschrobener und vom Leben gezeichneter Mann, der nach anfänglicher Nörglerei Formánek seine Lebensgeschichte erzählt.
Mares kommt als uneheliches Kind in einer Straßenbahn auf die Welt (die Mutter war gerade auf dem Weg ins Krankenhaus), und wird anschließend von ihr vor einer Kirche ausgesetzt, da sie nicht weiß, wie sie für ihn sorgen könnte, er war ungeplant und vom Vater ungewollt.
Bernhard wächst im Weisenhaus auf, wo sich eine Schwester an ihm vergeht, wo er aber auch erste Freundschaften knüpft. Doch dieser Zustand hält nicht lange. Er möchte - nun als junger Erwachsener - raus in die Welt und etwas erleben. Er geht zur SS, weil er sich in deren Uniform stolz und unübersehbar fühlt. Als Fahrer bringt er seine Kameraden zu verschiedenen Kriegsschauplätzen, und es bleibt dabei nicht aus, dass er dabei die Gräuel des Krieges miterlebt.
Im Zuge dessen lernt er auf einem Aussenposten des KZs Mauthausen eine Gefangene, Sophie, kennen, in die er sich rettungslos verliebt und zur Flucht verhilft.

Nachdem der Krieg zu Ende ist, verschlägt es Bernhard als Parteisekretär und Übersetzer auf die kommunistische Seite, und als wäre der zweite Weltkrieg nicht schlimm genug gewesen, erlebt er hier nun die völlig willkürliche Säuberungspolitik, die vom "großen Bruder" gesteuert wird. Bernhard Mares kommt ins Gefängnis, versucht zu fliehen, kommt wieder ins Gefängnis und erreicht letztendlich, als das Rote Kreuz ihn als letzten deutschen Kriegsgefangenen "befreit", Westdeutschland. Dort betreibt er eine kleine Kneipe und versucht mit Gitty, einer Prostituierten, ein neues Leben aufzubauen.

Doch er bekommt Sophie nicht mehr aus dem Kopf, sodass er letztendlich in Aussig eine kleine Wohnung kauft und eine Laube auf einem Müllberg errichtet. Dort lebt es, bis ihn Josef Formánek "entdeckt".

Die Sprache dieses Buches ist klar und schnörkellos, manchmal etwas holprig (Übersetzung?) Es lässt sich schnell und flüssig lesen. Ich habe es sehr gemocht, auch wenn ich zwei Kritikpunkte habe. Zum einen bleiben die Erlebnisse von Bernhard Mares relativ flach - seine Zeit bei der SS, die Zeit in den diversen Gefängnissen und seiner Arbeit im Bergwerk, alles wird erwähnt, aber man bekommt irgendwie keinen Eindruck vom Grauen, das er erlebt hat bzw. von der Freude oder sonstigen Gefühle. Auch die handelnden Personen bleiben dadurch merkwürdig blass, als würde man alles durch eine Milchglasscheibe betrachten. Zum anderen fand ich die Beschreibung und Erzählungen der Frauen recht dubios. Als Mares Fronturlaub bekommt, kann er sich vor Frauen, die Sex mit ihm haben wollen, kaum retten - er sagt selbst, er hätte sich beinahe zu Tode gevögelt - auch alle anderen Frauen, die ihm im Laufe seines Lebens über den Weg laufen, können es gar nicht abwarten, sich auf ihn zu stürzen. Dabei werden keine Orte ausgelassen - Hinterhöfe, Hauseingänge, Friedhofsmauern usw. Ich finde es schon sehr absurd, dass die Frauen, die nach Kriegsende alle Hände voll zu tun haben, das jeweilige Land wieder auf zu bauen, sich auf alles stürzen, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, weil bei ihnen der sexuelle Notstand ausbricht. Da hat der Autor ihr Verhalten wohl mit dem der Männer verwechselt, die, ebenfalls beschrieben, während und nach dem Krieg vergewaltigend durch die Lande ziehen, und nicht einmal vor Frauen wie Sophie halt machen, die gerade aus einem KZ entkommen ist.

Alles in allem ist dieses Buch auf jeden Fall lesenswert, auch wenn ab und an ein bisschen mehr Tiefe nicht geschadet hätte.