Rebecca James - Die Wahrheit über Alice

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jiskett Avatar

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Die Wahrheit über Alice ist tatsächlich kein Thriller - aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Generell hatte ich eigentlich keine Erwartungen, vielleicht liegt es daran, dass ich nicht enttäuscht, sondern eher positiv überrascht wurde.

Zunächst ist zu sagen, dass ich den Schreibstil der Autorin sehr angenehm fand. Das Buch lässt sich sehr gut und flüssig lesen und die Kapitel fliegen geradezu dahin. Rebecca James hat es auch geschafft, die Emotionen gut zu transportieren, gerade die Trauer und Wut, aber auch Freude, die die Protagonistin zu unterschiedlichen Zeitpunkten empfindet.

Katherine selbst ist mir als Protagonistin eigentlich sehr sympathisch. Sie hat schreckliches durchgemacht und schafft es nun, langsam wieder aufzustehen. Sie kämpft sich zurück ins Leben und das ist bewundernswert, außerdem konnte ich gar nicht anders, als dauernd Mitgefühl für sie aufzubringen und mit ihr zu leiden und mitzufühlen.
Die Nebenrollen sind meiner Meinung nach ebenfalls realistisch dargestellt, teilweise vielleicht ein wenig blass oder einseitig, aber dies kann ich mir damit erklären, dass die Ich-Erzählerin sie so erlebt.
Die einzige Person, deren Verhalten nicht nachvollziehbar ist, ist Alice und ich denke, das ist auch so gewollt. Auf mich wirkte sie einfach so extrem "gestört", dass ich teilweise sprachlos war. Am Ende hat mich bei ihr gar nichts mehr überrascht. Alice scheint ja eine sehr, sehr charismatische Person zu sein - und das fand ich stellenweise übertrieben. Bei dem, was sie sich alles geleistet hat, hätte ich keine Entschuldigungen mehr erfunden und auch nicht so leicht und schnell vergeben. Ich weiß nicht, ob es wirklich Menschen gibt, die so geschickt manipulieren können, aber ich fand es stellenweise einfach krass.

Die Geschichte selbst hat mich gefesselt und interessiert. Die Zeitenwechsel waren für mich kein Problem, eher noch hat es meine Neugierde gesteigert, stückchenweise die Geschichte von Katherine zu enthüllen um zu verstehen, wieso sie zu Alice' Zeiten so ist, wie sie ist. Auch der Sog, in den Alice sie langsam zieht, hat mich erfasst, am liebsten hätte ich das Buch am Stück ausgelesen; vor allem gegen später, als Alice ihr wahres Gesicht immer mehr zeigt, wurde die Geschichte richtig interessant.
Leider fand ich aber manches zu durchsichtig. Wieso Alice sich Katherine gegenüber so verhält, wurde uns in der Leserunde recht bald klar, sodass die Auflösung keine große Überraschung mehr war und auch einige ihrer Taten waren zu vorhersehbar, sodass ich mich ein wenig gefragt habe, wie Katherine und die anderen so blind sein können. Gerade am Ende, als Katherine sich noch einmal über Alice äußert, war ich etwas entsetzt darüber, wie sie zu dieser Position gelangen konnte.
Besonders gestört haben mich aber die letzten Kapitel. Mir ging das alles zu schnell; einschneidende Ereignisse im Leben der Mädchen werden auf vier, fünf Seiten abgearbeitet, die zwar absolut stimmungsvoll sind und die Gefühle der Protagonistin verdeutlichen, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin den letzten drei, vier Kapiteln mehr Raum gegeben hätte. Dafür, dass so lange Spannung aufgebaut wurde, war es dann doch sehr schnell vorbei.
Auch das allerletzte Kapitel betrachte ich zwiespältig. Einerseits fand ich es gut, dass hier leichte Hoffnung auf ein gutes Leben anklingt, andererseits wird es meiner Meinung nach auch wieder zu kurz behandelt.

Insgesamt bewerte ich Die Wahrheit über Alice mit vier Sternen.
Das Buch ließ sich wirklich sehr gut lesen, die Geschichte hat mich interessiert und ich konnte auch mit der Protagonistin mitfühlen, auch wenn ich nicht jede ihrer Emotionen (gerade gegenüber Alice) verstehen konnte. Ich habe mit ihr auf Glück gehofft, war traurig für sie, wenn etwas schief ging und auf Alice war ich tatsächlich oft sehr wütend. Diese Emotionen kann nicht jedes Buch in dieser Form in mir wecken.
Da das Ende mir aber zu plötzlich kam und ich wirklich nicht verstehen kann, wie man immer wieder auf einen Menschen hereinfallen kann, sind es nicht mehr Sterne geworden.