Die Welt hätte so groß sein können...

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barbarella Avatar

Von

Rezension: Die Welt war so groß – Rona Jaffe
Erscheinungsdatum: 07.09.2018
Verlag: Ullstein
Buchart: Taschenbuch
Preis: 11,99 Euro
Seitenzahl: 354

Gestaltung:

Obwohl mir zunächst weder Titel des Buches noch Name der Autorin bekannt waren, ist mir, einem absoluten Schaukelkind, das Buchcover natürlich direkt ins Auge gesprungen. Im Mittelpunkt stehen zwei junge Mädchen, die sich, das eine sitzend, das andere stehend, auf einer Schaukel direkt über die Skyline schwingen. Der Hintergrund ist in Grau und Schwarz gehalten, während der Titel und die beiden Mädchen in dezenten Rosa- und Blautönen die Szene in Farbe bringen. Schlüpft bei vielen sicherlich schon als reiner Coverkauf in den Einkaufskorb.

Inhalt:

1957 – Viele Neuankömmlinge treten ihr Studium am renommierten Radcliffe College in Cambridge an. Darunter vier junge Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und von denen jede für sich mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat.

Da ist zunächst die jüdische Emily - am College aufgenommen, um die Zulassungsquote von Minderheiten zu erfüllen – die sich nur zwei Dinge wünscht, nämlich dazuzugehören und Medizin zu studieren. Doch beide Wünsche scheinen nicht recht in Erfüllung gehen zu wollen.

Dann haben wir da Daphne, die hinter der schönen Fassade des allseits beliebten und bewunderten Golden Girls, ein Geheimnis verbirgt, das ihr, wenn es ans Licht geraten würde, sowohl ihren Ruf perfekt zu sein als auch die Chance auf eine gute Ehepartie zunichtemachen würde.

Chris, die Dritte im Bunde, ist ein Mauerblümchen unter lauter Snobs, das sich sowohl optisch als auch charakterlich von den ganzen anderen Püppchen am Campus unterscheidet. Doch dann trifft sie auf Alexander, der zum neuen Mittelpunkt ihrer Welt wird.

Zuletzt Annabel - ebenso schön wie Daphne, jedoch bei Weitem nicht so diszipliniert, was die sexuelle Enthaltsamkeit betrifft. Mit ihren Männergeschichten bringt sie die Gerüchteküche regelmäßig zum Überkochen. Doch in einer Zeit, in der Sex vor der Ehe noch als unmoralisch gilt, wird sie schon bald von ihrem weiblichen Kommilitonen gemieden und beschimpft. Allein in Chris und dem charmanten Max findet sie Freunde, die ihr auch Jahre später noch zur Seite stehen werden.

1977 - Emily, Daphne, Chris und Annabel kehren zum 20. Jubiläum ihres College-Abschlusses zum Klassentreffen an den Ort des Geschehens zurück. Was ist aus den vier jungen Frauen geworden? Konnten sie sich ihre Träume und Ziele erfüllen oder sind sie gescheitert?

Auch wenn mir der Schreibstil und die Idee hinter der Geschichte wahnsinnig gut gefällt, tröstet all dies leider nicht über die Tatsache hinweg, dass mir keine der vier Hauptpersonen wirklich sympathisch war.

Daphne wirkte auf mich kühl und arrogant; Emily selbstgefällig und um Aufmerksamkeit heischend. Annabel reduziert sich selbst auf die Wirkung, die sie auf Männer hat, ist im Kern aber tot langweilig. Und von Chris war ich am meisten enttäuscht. Anstatt ihr Leben in die Hand zu nehmen, rennt sie mehr als 20 Jahren einem Typen hinterher, der ihr nie ganz gehören wird.


Ich habe mir eine Geschichte à la „Mona Lisas Lächeln“ erhofft, was ich bekommen habe, war aber leider das Gegenteil. Den vier Hauptpersonen liegt mehr daran, eine gute Partie zu machen, als ihre eigenen Träume in Erfüllung zu bringen. In unterschiedlichen Situationen vergessen sie das eigenständige Denken und verlassen sich auf die Entscheidungen, die andere für sie treffen.

Wahrscheinlich ein durchaus realistischeres Frauenbild, als der Hollywood-Film mit Julia Roberts vermittelt. Doch da das Buch optisch und dem Titel nach nur so nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbsterfüllung geschrien hat und die Leseprobe so vielversprechend war, habe ich mir starke Frauencharaktere erhofft, die ich meiner Auffassung nach jedoch nicht bekommen habe.

Besonders die letzten Seiten des Buches haben mich traurig gestimmt, weil ich das Gefühl hatte, dass mir nicht nur der einzig sympathische Charakter im ganzen Buch genommen wurde, sondern auch, weil keine der Frauen mit ihrer jeweiligen Lebenssituation so richtig zufrieden scheint. Alle scheinen an einem gewissen Punkt in ihrem Leben gescheitert: Eine landet in der Nervenheilanstalt, die Andere gibt ihr behindertes Kind auf Drängen des Mannes fort. Die Nächste gibt sich selbst komplett auf, um einen Mann glücklich zu machen, der nur am anderen Geschlecht interessiert ist und die Letzte schlägt sich nach einer gescheiterten Ehe mit einer aufmüpfigen Teenager-Tochter herum. Insgesamt realitätsnah, aber niederschmetternd.