Katharina, die Große - eine starke Frau mit Willen zur Macht

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miltonia 01 Avatar

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Der Roman setzt ein am Tag der Trauerfeier für Katharinas Mann, den Zaren Peter III., den sie hat ermorden lassen. Damit sind die Grundzüge ihres Wesens eigentlich schon klar erkennbar. Sie hat unbedingten Willen zur Macht und wer sich diesem entgegenstellt, muss mit allem rechnen. Ihre diversen Liebschaften und Affairen bestätigen dies nur. Keiner wird von ihr und neben ihr zum Zaren gemacht, selbst die Heirat mit Potjomkin wird geheim gehalten und alle ihre Männer sind gleichzeitig auch Figuren, die sie zum Machterhalt benutzt. Anders würde eine Frau zu jener Zeit sich kaum so lange Zeit auf dem Thron halten können.

Ein 2. Erzählstrang, dem ich viel abgewinnen konnte, ist der preußische Philosoph Stephan Mervier, der mit seiner Frau von König Friedrich von Preußen an den Zarenhof geschickt wird, um dort die Lage für ihn auszukundschaften. Mervier erkennt recht schnell, dass Katharina zwar der Idee der Aufklärung theoretisch freundlich gegenübersteht und sich gerne als Vertreterin des Fortschritts inszenieren, aber praktisch sich auf keinen Fall ihre eigene Macht mindern lassen möchte und es sich auch mit dem Adelsstand nicht verderben will und kann, auf dessen Unterstützung sie ebenfalls stark angewiesen ist. So schließt sich Mervier einem kleinen Kreis von gebildeten Männern mit revolutionären Gedanken an und versucht so, Änderungen in diesem so furchtbar elenden und gleichzeitig überaus verschwenderisch reichen Land zu bewirken.
Seiner Frau verschweigt er seine Mitgliedschaft und aus diesen Heimlichkeiten erwächst eine immer größere Entfremdung zwischen den Eheleuten. Auch die Nöte und Einsamkeit seiner Frau in dem sehr fremden Land erkennt er nicht oder will sie nicht verstehen. Das ist alles gut beschrieben und man leidet förmlich mit seiner Frau, das ist ja eine Lebenswirklichkeit, die es auch heute nicht allzu selten gibt.

Eine 3. Hauptperson des Romans ist Sonja, die Ziehtochter Katharinas, die als Findelkind die ersten Lebensjahre im Wald in einer Erdhütte aufwächst und sich dann am luxuriösen Zarenhof zu einer sehr seltsamen und ungewöhnlichen jungen Frau entwickelt. Natürlich verwickeln sich die Personen in- und umeinander und es ergeben sich ganz neue Konstellationen, Beziehungen und Verhältnisse.

Das alles liest sich flott und unterhaltsam, die Beschreibung von St. Petersburg ist sehr liebevoll, allerdings wird das Buch zum Schluss aus meiner Sicht etwas unglaubwürdig und fast sentimental, ich glaube kaum, dass eine absolutistische Frau wie Katharina sich von der Macht der Liebe so rühren lässt, dass sie Hochverräter und Menschen, die sie persönlich hintergangen haben, begnadigt, solche Zeichen der Schwäche darf sich kein Herrscher erlauben.

Trotzdem ein gut lesbares Buch über Russland in einer sehr interessanten Zeit, das vielleicht helfen mag, auch die Zustände im heutigen Russland besser zu verstehen.
Deshalb von mir 4 Sterne.