Keine Palastintrigen, dafür große Liebschaften und aufständische Aristokraten

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barbarasbuecherbox Avatar

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Sankt Petersburg ist der Schauplatz großer Veränderungen. Noch nicht lange ist es her, dass Katharina sich zur Zarin über ganz Russland krönen ließ, nachdem ihr Mann Peter verstorben ist – wobei gemunkelt wird, dass sein Dahinscheiden nicht ganz ohne Hilfe vonstattenging.
Im fortschrittlichen Europa ist sie bekannt als Männerfresserin, die zwischen Russland und dem europäischen Fortschritt steht. Doch sie ist eine intelligente Frau und möchte sich – auch ihrer Eitelkeit zuliebe – den Respekt und die Freundschaft Preußens, Österreichs und der anderen wichtigen Länder Europas sichern.
Da weithin bekannt ist, dass Katharina die Gesellschaft intelligenter Männer sehr schätzt, nutzt der König von Preußen die Gelegenheit und sendet einen seiner jungen Philosophen – Stephan Mervier – zusammen mit seiner Frau nach Sankt Petersburg, um dort Ohr und Auge am Hof zu sein.
Doch Stephan und einige weitere Aristokraten in Sankt Petersburg sind wenig überzeugt von der monarchischen Herrschaft Katharinas und drängen darauf, dass Russland die Leibeigenschaft abschafft und Gesetze einführt, die für alle Menschen gleich denken.
Ein ketzerischer Gedanke im strengen Russland, doch ein Funke reicht, um eine Revolution zu starten …

Wir folgen in der Geschichte mehreren Perspektiven, von denen die meisten jedoch die gebildeten Herrschaften Sankt Petersburg betrifft und – leider – nur sehr wenig davon Katharina und ihrem Hofstaat. Stephan Mervier und seine Frau, die in Europa bekannte Malerin Johanna, finden Anschluss bei Juristen und Reportern – allesamt gebildet und aus der höheren Gesellschaftsschicht, die, davon überzeugt, dass Katharinas Führung nicht zukunftsfördernd ist, sich in einem Zirkel zusammenschließen, der auf eine vorsichtige Änderung der politischen Führung abzielt. Während Stephan nur noch wenig Zeit zwischen den Debatten mit der Zarin und seinen Männertreffen für seine Frau bleibt, versucht diese als Frau in der künstlerischen Szene Sankt Petersburg Fuß zu fassen. Ein schwieriges Unternehmen, das ihr in Frankreich bereits viel abverlangt hat. Einen guten Freund – und vielleicht ein wenig mehr als das – findet sie in dem Dichter Boris, der mit seiner Familie brechen muss, um seinen künstlerischen Ambitionen folgen zu können.
Im Palast selbst verbringen wir nur sehr wenig Zeit und dort meist mit der Ziehtochter der Zarin Sonja, die als kleines Mädchen von einem Einsiedler bei der Zarin abgegeben wurde und sich zusehend zu einer intelligenten Frau entwickelt. Entgegen ihrer Stiefmutter sieht sie viele Probleme in Russland und ist nicht mit der Führung Katharinas einverstanden. Die Leibeigenschaft und die fehlende Gleichheit der Menschen sind ihr ein Dorn im Auge und sie tut alles dafür, um diesen Dorn zu ziehen.
Das alles spitzt sich zu, so dass eine Revolution unausweichlich scheint.

Ich muss zugeben: ich ging mit falschen Erwartungen an den Roman heran. Ich erhoffte mir Palastintrigen, Streitereien zwischen den Liebhabern der Zarin (die Orlow-Bürder und Potemkin sind die bekanntesten) und politische Debatten – doch leider verbringen wir den meisten Teil der Geschichte bei den romantischen Beziehungen Stephans, Johannas, Boris‘ und Sonjas oder bei den Aufständen der Aristokratie – und das war leider nicht wirklich etwas für mich. Es fiel mir schwer, das Buch zu beenden und ich musste mich regelrecht zwingen, dazu zu greifen.
Zudem war ich davon überzeugt, dass wir die meiste Zeit bei der Zarin selbst verbringen und auch Potemkin gut kennen lernen. Doch Katharina kommt nur selten zu Wort und wenn, wirkt sie leider dabei immer etwas tölpelhaft und blauäugig, während Sonja und einige der anderen sehr herablassend mit ihrer unabänderlichen Meinung wirken. Potemkin selbst wird kaum erwähnt und tritt nur ab und an auf. Für mich sehr enttäuschend.
Der Schreibstil selbst ist sehr flüssig und eingängig, doch fehlte mir der Sprengstoff in der Geschichte, weshalb der Roman auf einem gleich hohen Niveau dahintreibt und dabei weder hoch hinauf steigt, noch tief hinabstürzt.

Für mich leider ein Buch, das mir nur wenig geben konnte, aber Lesern, die gerne mehr über die Personen und Sankt Petersburg erfahren möchten, vielleicht gefallen könnten – sofern sie nicht Wert auf das Zarenhaus selbst legen.