Ein Mann aus der Perspektive seiner Geliebten

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Rezension zum Roman "Die zehn Lieben des Nishino" von Hiromi Kawakami

Zum Inhalt:
Nishino Yukihiko ist schön, charmant, geheimnisvoll, scheinbar perfekt und vor allem nicht greifbar. Zumindest macht sein Charakter am Anfang den Anschein, als sei er einer dieser Männer, die jede Frau haben können, sie verführen, faszinieren und verzaubern und dann mit gebrochenem Herzen zurücklassen. Nishino begnügt sich nicht einmal damit, nur jeweils einer Frau nach der anderen den Kopf zu verdrehen. Es ist auch nach der Lektüre von "Die zehn Lieben des Nishino" nicht auszumachen, wie viele Frauen nun tatsächlich seine Geliebten beziehungsweise seine Gespielinnen waren. Geschätzt sind es aber wohl mehr als zehn.
Doch eben genau aus der Sicht von diesen zehn ausgewählten seiner vielen Geliebten lernen wir diesen Mann in verschiedenen Stadien seines Lebens kennen. Von Nishino als Schüler über seine Zeit als erfolgreicher Business-Manager bis zu seinem Tod.
Doch viel interessanter als sein Werdegang ist seine Persönlichkeit und seine quasi nicht vorhandene Beziehungsfähigkeit. Mit jedem Kapitel und damit mit jeder seiner Frauen nähern wir uns mehr dem Bild des wahren Nishino und am Ende verstehen wir ihn sogar, verspüren Mitgefühl mit seinem Schicksal und hoffen inständig, dass irgendwann doch noch diese eine Frau kommt, die ihn retten kann.


Kritik:
Es geht um Liebe, Schicksalsschläge, Männer, Frauen und diese gewisse Dynamik, die den Kern vieler Affären ausmacht. Die Machtspiele, die ausmachen, wer am Schluss scheinbar gewonnen oder verloren hat. Wer kann seine gefühle zurückhalten und "cool" bleiben? Wer verliert sich und schenkt sein Herz damit jemandem, der es gar nicht ernst meint?
Wer mit dieser Thematik nichts anfangen kann, wird rasch von diesem Roman genervt sein. Wer allerdings gern über Liebe, Gefühle und Beziehungsgefüge nachdenkt und philosophiert wird mit der Geschichte von Nishino und seinen Frauen viel Freude sowie ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen haben.

Am besten hat mir gefallen, dass sich die Autorin einer sehr einfachen Sprache bedient. Ohne Schnörksel, sehr prägnant in kurzen Sätzen werden unglaublich tiefgehende Gefühle beschrieben. Vorausgesetzt der/die LeserIn ist fähig zwischen den Zeilen zu lesen. Denn dort steht so viel mehr, was nicht abgedruckt wurde.

Etwas mühsam sind die vielen verschiedenen verwendeten japanischen Frauennamen, die sich zu allem Übel manchmal auch noch bis auf einen Buchstaben gleichen. Beim Lesen ist es mir einige Male passiert, dass ich verwirrt war, weil die Story plötzlich gar nicht zur erwähnten Person passt. Ich musste dann wieder vorblättern und nachschauen, wer denn jetzt genau wie heißt.

Alles in allem bleibt das Buch mysteriös. Es werden keine eindeutigen Antworten, Lösungen oder Interpretationen für die Person Nishino angeboten. Vielmehr wird jede/r LeserIn sich am Schluss sein/ihr eigenes Bild machen und eine subjektive Wahrheit kreieren.
Ein bisschen so, wie es in echten Beziehungen wohl auch oft der Fall ist...