Ein Leben für Kinderrechte

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gormflath Avatar

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Kinder sollen am besten unsichtbar sein, und um sie vom Weg der Sünde abzubringen, ist körperliche Züchtigung an der Tagesordnung. Diese Überzeugung herrscht im 19. Jahrhundert, und zwar nicht nur in Preußen.
Die junge Luise Levin muss dabei zusehen, wie ihre Neffen wegen kleinster „Vergehen“ geschlagen werden und wie Kinder einfacher Arbeiterinnen in Verwahranstalten mit Zwang diszipliniert werden sollen. Als sie eines Tages von einer neu gegründeten Erziehungsanstalt in Thüringen erfährt, in der Kinder als Menschen respektiert und spielend die Welt begreifen sollen, bewirbt sie sich dort gegen den Willen ihrer Familie als Haushälterin. Dort hat Friedrich Fröbel einen Ort erschaffen, an dem Kinder sich frei entfalten können und ohne Züchtigung und Strafen zu rücksichtsvollen und intellektuellen Menschen heranwachsen können. Unabhängig von ihrer Herkunft werden Kinder gefördert, um sie zu eigenständig denkende Menschen reifen zu lassen.

Im Laufe der Geschichte lernt man als Leser Friedrich Fröbel kennen, dessen unglückliche Kindheit ihn geprägt hat. Der Natur, Physik und Mathematik verbunden, forschte und verstand er, was den Menschen ausmacht und wie viel Gutes in jedem Menschen steckt. Durch Fröbels spielerische Methoden sah die Obrigkeit zur damaligen Zeit die öffentliche Ordnung gefährdet, und so folgte ein Verbot auf das nächste. Mutig und unermüdlich kämpfte Fröbel für die Rechte der Kinder und die Gründung der Kindergärten.
Luise ist von Fröbels Ideen begeistert, begleitet und unterstützt ihn bei seinen Ideen, wird selbst von ihm zur Kindergärtnerin ausgebildet und heiratet ihn, der selbst schon in seinen späten Jahren ist. Nach seinem Tod kämpfte auch sie unermüdlich weiter für Kinderrechte und ohne sie und Friedrich Fröbel, ohne ihren Einsatz trotz ständigem Gegenwind, Verboten und zahlreichen Rückschlägen wäre die Gründung der Kindergärten undenkbar gewesen.

In ihrem gut recherchierten historischen Roman mit Hinweisen zu Personen, die überwiegend real existierten, gibt die Autorin Lena Riess Einblicke in die damalige Gesellschaft und zeigt auf, welche Meinung man von Kindern und Frauen hatten. Authentisch erzählt sie von den erschreckenden Auswüchsen der schwarzen Pädagogik, man liest über den Orthopäden Moritz Schreber, der zahlreiche Apparaturen erfand wie Schulterriemen, um Kinder beim Schlafen in Rückenlage zu halten und „Geradhalter“ für aufrechtes Sitzen. Auch der Adel und kirchliche Einrichtungen waren der Meinung, Kinder müssten stets dahingehend beschäftigt werden, ihre Sünden abzulegen.

Ebenso wie Fröbel mussten auch Luise, die junge Hamburgerin Marieke und alle ihre Mitstreiter*innen aus ihrer eigenen Vergangenheit lernen und ihr Leben lang gegen Widerstand kämpfen.
Der Roman ist eine Würdigung an diese unermüdlichen und enthusiastischen Menschen, die hartnäckig und am Ende erfolgreich für ihren Traum kämpften: Kinder sollen sich geliebt fühlen und in einer Umgebung aufwachsen, in der ihre Fähigkeiten gefördert werden - ohne Angst, ohne Schläge und ohne Zurückweisung. Lebendig und unterhaltsam erzählt die Autorin über die Geschichte der Kindergärten.

„Die Institution soll ein kleines Paradies für die Kinder sein, gleichzeitig sollen sie wie ein Pflänzchen in einem bunten Garten gepflegt und herangezogen werden.“ (Buchzitat)