Intensiv und komplex

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falo65 Avatar

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Um es gleich vorab zu sagen, das Buch hat mich begeistert, bisher bin ich wohl mit meinen fünf Sterne Bewertungen zu großzügig umgegangen, eigentlich müsste ich diesem Buch sechs Sterne geben.

Der Roman „Die Zeit der Ruhelosen“ von Karine Tuil handelt von drei Männern. Männer, die von Ihrer Herkunft, ihrem Beruf und ihrer Berufung grundverschieden erscheinen, letztlich aber auf ganz ähnliche Weise an den Tücken des Lebens scheitern.

Da ist zunächst Romain, Afghanistan-Heimkehrer mit Trauma, aufgewachsen in einer typischen Pariser Vorstadt. Romain, der sich bis dato auf die Rückkehr zu Frau und Sohn freut, lernt bei einem Zwischenstopp auf Zypern Marion kennen, beginnt eine Affäre mit ihr und verfällt ihr.
Marion ist mit Francois, einem reichen Telekommunikationsunternehmer verheiratet.
Francois ist mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren worden. Er genießt das Leben im Luxus, pflegt seine Kontakte und Vernetzungen und mehrt seinen Reichtum. Ein typischer Vertreter der französischen Macht- und Geldelite.
Die dritte Figur des Romans ist Osman, Kind ivorischer Eltern und ebenfalls aus der Vorstadt, der es aber trotz ( oder wegen?) seiner Hautfarbe durch sein Engagement für die von der Gesellschaft benachteiligten aus den Vorstädten in den Beraterstab des Präsidenten geschafft hat.
Die Autorin erzählt eindrucksvoll, wie verschiedene Ereignisse dafür sorgen, dass das Leben dieser drei Männer ganz anders verläuft, als sie es geplant haben. Gleichzeitig schafft die Autorin es aber auch, mit ihren Schilderungen der französischen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Das, was da sichtbar wird ist nicht schmeichelhaft für die Franzosen. Macht es doch deutlich, dass Frankreich in unterschiedliche, voneinander abgeschottet lebende Gruppen geteilt ist, von Machteliten und Seilschaften geprägt und beherrscht wird, und Rassismus und Anti-Zionismus alltäglich sind. Vom vielgenannten leichtfüßigen Savoir-vivre der Franzosen bleibt wenig übrig.

Die Kernaussage des Buches fasst dieses Zitat gut zusammen:“ In unserer Gesellschaft ist etwas sehr Ungesundes im Gange, alles wird durch den Blickwinkel der Identität betrachtet. Jeder wird auf seine Herkunft festgelegt, egal, was er tut.“

Es ist kein Buch, das sowohl durch die geschilderte Handlung, als auch durch Sprache und Satzbau, geeignet ist für Leser, die vor dem Schlafengehen noch ein paar Seiten lesen möchten.

Dieses Buch ist ergreifend, aufwühlend und mitreißend, ein Buch für schlaflose Lesenächte, für verregnete Wochenenden auf der Couch oder Schmökerstunden im Strandkorb.

Kein leichtes, kein bequemes, aber ein lesenswertes Buch.