Zurück ins Leben

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fritzi27 Avatar

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Als wäre sie zusammen mit ihrer Schwester gestorben, so fühlt sich Anna. Sie verlor ihre Schwester vor einem Jahr bei einem Autounfall und gibt
sich selbst die Schuld daran. Wäre sie nämlich nicht auf der Party gewesen, hätte sie nicht den Bus verpasst, dann hätte Ruth sie nicht abholen müssen und
es wäre nicht zum Unfall gekommen.
Anna denkt auch, dass ihre Eltern ihr die Schuld geben und bemüht sich darum sehr, die verlorene Tochter zu ersetzen. Sie versucht ihr immer ähnlicher zu sein.
Auch bei Ruths Freund Leon, der inzwischen ihr Freund ist, verhält sie sich so.
Dass sie selbst fast daran zerbricht, wird ihr erst im Laufe der Zeit bewusst.
Am ersten Todestag ihrer Schwester geht sie nicht mit an deren Grab, sondern fährt zu einem anderen Friedhof, um dort endlich einmal wieder zu zeichnen.
Dort geschieht dann etwas Merkwürdiges: eine Katze führt sie zu einer Lichtung, und dort zu einem alten Grab, auf dem eine Engelsstatue steht, zu deren Füßen
weiße Rosen blühen.
Anna verliert sich in diesem Anblick und beginnt zu zeichnen. Aus der Versenkung wird sie gerissen, als ein junger Mann auftaucht, der sie etwas rüde fragt, was sie dort
macht. Und doch, etwas an ihm, Phil, berührt Anna bis ins Innerste und bewegt sie dazu, wiederzukommen.
Der Leser erfährt viel über Annas derzeitiges Leben, das so sehr aus den Fugen geraten ist. Sie scheint irgendwie zu existieren, zu funktionieren, aber sie fühlt sich nicht
lebendig.
Weitere Begegnungen mit Phil machen ihr das immer bewusster. Sie erkennt nach und nach, dass sie Leon nicht lieben kann, da sie nur versucht, ihn über den Verlust
seiner Freundin Ruth hinwegzutrösten.
Phil dagegen ist anders, er ist ihr ähnlich, ihr, Anna, und das macht ihr bewusst, dass sie wieder Anna sein will und keine Kopie von Ruth.
Parallel dazu wird eine andere Geschichte erzählt, die im 19. Jahrhundert spielt. Aus den kurzen Episoden wird langsam klar, dass es um das Mädchen geht, für den
dieser rosenumkränzte Engel auf dem Friedhof steht.
Ohne jetzt zu viel vorwegnehmen zu wollen, kann ich sagen, dass mir der Schreibstil von Jutta Wilke wieder einmal sehr gefällt, die Protagonistin Anna mag ich sehr,
ihre Zerrissenheit und Verletztheit und der Weg zurück in ihr Leben ist schön beschrieben - das Ende tut dem Leser gut.
Nicht ganz rund war für mich die Sache, wie die "alte" Geschichte sich dann im dem Schulprojekt der Klasse der verstorbenen Ruth auflöst. Das war mir ein wenig
zu konstruiert, obgleich mir schon klar ist, dass die Autorin diese Verbindung irgendwann und irgendwie herstellen musste.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, ich habe es ohne Pause in einem Rutsch weggelesen und dies sehr genossen. Im Übrigen finde ich das Buchcover wunderschön, der
transparente Schutzumschlag, den die Rosen auf dem Einband durchscheinen lässt, ist einfach perfekt.