Drowning

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lunamonique Avatar

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Der 15jährige Carl sieht seinen Bruder Rob tot neben sich liegen. Der Reißverschluss vom Leichensack wird gerade zugezogen. Dieser Moment verfolgt Carl in seinen Alpträumen. Carl fehlen die Erinnerungen. Was ist am See passiert? Wieso ist Rob tot? Neisha könnte Carls Fragen beantworten, aber sie will nicht mit ihm reden. Eines ist klar, die Sache ist noch nicht vorbei. Rob ist überall. Er lässt Carl nicht in Ruhe und er ist wütend. Es gibt keinen Ausweg.

Autorin Rachel Ward weiß Gänsehaut zu erzeugen. „Drowning“ verströmt von Anfang an eine dunkle, düstere Atmosphäre. Der Moment, wie sich der Reißverschluss über Rob schließt bleibt auch beim Leser im Gedächtnis. Ein Unfall, Mord? Carl plagen Schuldgefühle. Hat er Rob getötet? Das Rätselhafte, Carls Erinnerungslücken steigern die Spannung. Rachel Ward hat sich eine originelle Story ausgedacht. Ein harmloses Element wird zur Bedrohung. Carl hat keine Wahnvorstellungen, keine Halluzinationen. Die Gefahr ist echt. Langsam wird die Beziehung zwischen Carl und Rob deutlich. Die ganze Geschichte dreht sich um drei Charaktere. Rachel Ward schafft mit ihnen Atmosphäre. Der ältere Rob, der seinen Bruder für Einbrüche benutzt. Carl, der nur wenig Widerstand gegen seinen Bruder aufbringen kann. Ein Mädchen, das die zwei zu Feinden macht. Rob ist lebend wie tot unberechenbar und voller Hass. Dazu eine alkoholkranke Mutter und eine Wohnung, die immer mehr verfällt. Es sind die Details, die die Bedrohung greifbar machen. Carl kann nicht vor Rob weglaufen. Er zweifelt an sich, weiß nicht, oder er gut oder böse ist. Der Zwiespalt verstärkt den Horror. Als Leser klebt man förmlich an den Seiten. Selten, dass ein Roman von der ersten bis zur letzten Sekunde so packend ist. Zudem ist die Basis der Geschichte, tot durch Ertrinken, so realitätsnah, dass es schmerzt. „Drowning“ erinnert an die Stephen King-Geschichten. Beklemmend, düster, verstörend, Gänsehaut pur. „Drowning“ ist ein Meisterstück und ein würdiger Nachfolger der Numbers-Trilogie. Im Vorwort von „Drowning“ geht die Autorin auf die Realitätsnähe der Geschichte ein. Tot durch Ertrinken, Naturkatastrophen, Überschwemmungen. Für Menschen, die in derart schicksalhafte Ereignisse verwickelt wurden, ist es nicht das richtige Buch. Carl wird mit dem Tod seines Bruder nicht fertig. Nach außen hin wirkt er verrückt. Sein skurriles Handeln, vernachlässigtes Äüßeres, die ungewaschene oder kaum vorhandene Kleidung, seine plötzlichen Ausbrüche. Sprachlich Emotionen zu transportieren, die Angst vor der Wahrheit und gleichzeitig den unwiderstehlichen Wunsch danach deutlich zu machen, ist keine einfache Sache. Rachel Ward trifft mit jedem Satz den Nagel auf den Kopf. Nur ein kleines Beispiel: „Die Bilder in meinem Kopf liegen wie Spinnweben über der Treppe. Zerbrechlich. Ich will nicht hindurch laufen und sie zerstören. Ich will nicht, dass sie verschwinden. Ich will einfach nur dastehen und zusehen, bis alles einen Sinn ergibt. Bis ich es spüre. Es wird kommen, das weiß ich genau. Es ist da, wie ein Wort, das mir auf der Zunge liegt. Wenn ich nur stehen bleibe und zusehe…“

Auf dem Cover wird das Element Wasser schemenhaft in der Dunkelheit dargestellt. Carl gerät in viele Situationen, die Rob wieder scheinbar lebendig machen und das Wasser eine Rolle spielt. Das Bild des gerade Ertrunkenen zieht sich wie ein roter, höllischer Faden durch die Geschichte. Hat Rob tot die Macht Carl umzubringen? Die Bedrohung steigert sich. Ist Carls Kampf aussichtslos? Eine Rettung ist nirgendwo zu sehen. Wie soll die auch aussehen, schließlich ist Rob schon tot. Miträtseln und mitfiebern ist angesagt. 304 Seiten Hochspannung, die man auch nach dem Zuklappen nicht abschütteln kann. Besser geht es nicht. Wer „Drowning“ verpasst, hat selber schuld.