Kurz vor dem Untergang

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su-sun Avatar

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" Du gehörst mir "
1999 wurde das sechzehnjährige Mädchen Marianne Vaatstra ermordet. Ein friesischer Milchviehhalter wird erst 2013 verurteilt, als er nach einer groß angelegten DNA-Verwandtschaftsuntersuchung endlich die Vergewaltigung und den Mord gesteht.
Peter Middendorp hat diesen realen Fall in seinem Roman integriert. Die Geschichte enthält jedoch hauptsächlich Fiktion, die im Gehirn des Autors keimt.

Ein junger Bauer und Vater von zwei kleinen Kindern vergewaltigte und tötete eines Nachts Rosalinde, ein 16-jähriges Mädchen aus dem Dorf. Tille Storkema wird allzu oft von seiner Frau Ada abgelehnt. Er selbst verehrt seine Tochter Suze ungemein. Zwei Asylbewerber gelten als mutmaßliche Täter. Jahre später steht Suzes sechzehnter Geburtstag vor der Tür. Genau das Alter des Opfers des Mordes vor dreizehn Jahren. Storkema wird nach einem großen DNA-Test festgenommen.


In stilistischer Hinsicht ist der Roman auf einem sehr hohen Niveau. Der Autor mischt Ereignisse gekonnt mit Dialogen und Überlegungen. Er trennt die Geschichte von der Zeit; wo Vergangenheit und Gegenwart eins werden. Kraftvolle Sätze und attraktive Prosa geben der Geschichte zusätzliche Unterstützung.

Aber warum greift Middendorp nicht wirklich tief in den Kopf des Täters ein? Er nutzt nie seine Chance und bleibt an der Oberfläche. Vielleicht bewusst. Das wahre Warum wird nie erklärt. Ist es aus sexueller Täuschung? Wie kann die Hauptfigur mit einem solchen Verbrechen auf seinem Gewissen weiterleben?
Die meiste harte Arbeit und die Suche nach Antworten bleibt dem Einfühlungsvermögen und der Vorstellungskraft der Leser überlassen.

Der Leser ist gezwungen, unter die Haut eines unauffälligen Mörders und auch stolzen Vaters einer wachsenden Tochter zu kriechen. Eine intime Vaterliebe mit einer sehr scharfen Kante. Genau so, als stünde die Gefahr hinter jeder Ecke.
Geht Tille dort auch in die falsche Richtung? Man versteht, dass er ein Kindheitstrauma mit sich trägt. Als Zwölfjähriger sieht er, wie sein Vater durch einen Unfall mit dem Mähdrescher ein Bein verliert. Von diesem Moment an wird der Protagonist nie mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Ein Leben, das nicht das bringt, was er sich jemals erhofft hat.

Tille glaubt, dass er sich des "Unfalls" nicht schuldig gemacht hat (wie er den grausamen Mord an Rosalinde nennt). Er sucht immer nach Ausreden, weil er wirklich nicht erkennt oder erkennen will, was er ihm angetan hat. Er unterdrückt geschickt Gefühle. Ein verstörter Geist? Man kann ihn nicht als reinrassigen Psychopathen bezeichnen. Er arbeitet sehr hart in seiner Firma und kümmert sich um seine Familie. Der Protagonist ist ein Mann, der seine Tochter mehr liebt als sich selbst. Sein Sohn Friso bekommt kaum Aufmerksamkeit.

Du gehörst mir, ist die schockierende Geschichte eines gewöhnlichen Bauern, Vaters und Täters. Der Ich-Geschichtenerzähler, der jahrelang mit einem beschämenden Geheimnis lebt.