Schau hin!

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frieda-anna Avatar

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Für Grace ist alles perfekt. Ehemann, Kind, Job, gesellschaftliches Umfeld, Finanzen. Alles vom Feinsten und alles gut geregelt. Nun schreibt sie als erfolgreiche Paartherapeutin sogar noch ein Buch. Es handelt von der falschen Partnerwahl und dass man eine unglückliche Partnerschaft schon im Vorfeld vermeiden kann, wenn man nämlich einmal genau hinschaut und die rosarote Brille abnimmt und aufhört, sich die Kanten und Ecken des Auserwählten schön zu reden. Es läuft extrem gut für Grace und sie ist glücklich. Dabei hat sie wohl selbst einiges übersehen.
Die Autorin mit dem komplizierten Namen Jean Hanff Korelitz holt zum Angriff gegen die blind Verliebten aus und trichtert uns mit der Dramatik eines Baseballschlägers ein, was passiert, wenn man bei der Partnerwahl nicht seiner selbst treu bleibt.
Nachdem Grace Jonathan kennen gelernt und sich Hals über Kopf in ihn verguckt hat, geht die zunächst unbemerkte Katastrophe los. Grace entfernt sich von ihrer besten Freundin und verliert schlussendlich völlig den Kontakt zu ihr. In einem kurzen hellen Moment geht ihr auf, dass sie gar keine Freundin, geschweige denn Freundinnen mehr hat. In der abgehobenen New Yorker High Society findet sich anscheinend das passende Pendant auch nicht. Auffällig ist hier der Hohn der Autorin für diese Gesellschaft. Das kommt im ersten Viertel des Buches deutlich zum Ausdruck. Die pikfeinen Damen wurden dann ein bißchen böse auf die Schippe genommen, was mir ganz gut gefallen hat. Jonathan, Kinderonkologe seines Zeichens, wird zum Halbgott hoch stilisiert. Immer im Einsatz, immer ganz nah am Menschen, immer herausragend gut. Doch plötzlich wird alles anders. Die Mutter eines Mitschülers von Graces Sohn Henry, wurde ermordet und der großartige Ehemann ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Für Grace beginnt ein Spiessrutenlauf, das unabdingbare Betrachten des eigenen Spielbildes und die Reflektion ihrer vermeintlichen Vorzeigeehe.
Dieser Roman ist mit viel Ernst verfasst und zielt teils darauf ab, belehrend darauf hinzuweisen, sich von den ersten Gefühlen für einen Menschen nicht so blenden zu lassen, dass man das Arschloch dahinter nicht erkennt. Ist ganz gut gemacht und nachvollziehbar, obwohl Jean Hanff K. an manchen Stellen meiner Meinung nach schon etwas übertrieben hat. Aber es sollte halt sitzen und nicht nur zur Unterhaltung dienen, denke ich. Die Autorin hat es gut gemeint, aber nicht immer so ganz gut gemacht. Genervt haben mich die vielen Klammern im Text, die oft unnötige Zusatzerklärugnen lieferten, sowie die oft auftretenden sehr detaillierten Gedankengänge Graces. Auf neudeutsch fühlte ich mich in etlichen Passagen zugetextet und verlor so den Bezug zur Handlung. Grace erschien mir mit ihrer Sichtweise der Dinge hier sehr naiv. Das passte mit dem erstellten Bild der erfolgreichen Paartherapeutin einfach nicht zusammen.
Die Fallen, in die man als Leser selber hineintappst, hat Frau Korelitz sehr gut ausgelegt und mich zu manch erstaunten Momenten über mich selber gebracht. Eine lehrreiche Geschichte, die facettenreich zwischen Spannung und langwieriger Dramatik hin und her springt. Bis auf einige Stolperkanten eine lesens- und empfehlenswerte Lektüre, die man auch der besten Freundin schenken kann, wenn es nötig wird.