Hannes Köhler - Ein Lyriker

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anman1 Avatar

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Dieser Roman handelt von der Liebe zu einem Land, zu den USA, und von dem Hass auf die Nationalsozialisten in Deutschland und der Ferne.
Hannes Köhler's Sprachstil erwies sich als lyrisch und reich an sprachlichen Mitteln wie Personifikationen, Vergleiche etc.

Inhalt:
Im Zentrum der Erzählung steht Franz Schneider aus Essen, eigentlich aus Familientradition Bergmann. Er wird als Soldat für die Westfront eingezogen und gerät recht schnell in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Diese Zeit ist prägend für ihn, unter anderem wegen der ständigen Kämpfe zwischen "Braunen" und "Roten" in den Kriegsgefangenenlagern.
Jahre später reist er mit seinem Enkel Martin, nun schon ein alter Mann, zum ersten Mal wieder in die USA, um die Stätten von damals noch einmal zu sehen.
Langsam erfährt auch die Familie immer mehr über das, was damals dort passiert ist.

Das Auffallendste an diesem Roman war schon zu Beginn der einmalige (?) Sprachstil von Hannes Köhler. Er verwendet sehr lange Sätze, die aber bruchstückhaft wirken. Nichtsdestotrotz ist es fast "lyrische Prosa", so elegant sind die Formulierungen gewählt, so schön sind die Bilder im Kopf, die sie hervorrufen.
Schon der erste Satz des Romans ("Er gräbt die Hände in den feuchten Sand, bewegt die Finger, spürt das Reiben der Körner auf der Haut.") verrät dem Leser, wie Hannes Köhler schreibt. In längeren Sätzen, abgetrennt durch Kommata, reiht sich Bruchstück an Bruchstück, bis ein feinfühliges und prägnantes Mosaikbild entsteht.
Vom Sprachstil her wird mir dieser Roman noch lange im Gedächtnis bleiben.

Nicht verschweigen möchte ich aber, dass dieses Buch auch hochpolitisch ist, und man spürt, dass der Autor eine gewisse Präferenz hat, nämlich durch die Auswahl der (Haupt-) Charaktere, das, was sie sagen, und durch die Konstruktion der Geschichte.
Am Ende erscheint der Nationalsozialist als ein auszurottendes Übel, die Amerikaner entsprechend als Gesandte des Himmels.
Auch an aktuelle politische Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt wird Hannes Köhler gedacht haben, als er Franz auf Seite 335 f. folgendes in den Mund legt: "Man sieht ja, was hier heute wieder los ist, was für Menschen auf einmal wieder im Fernsehen auftauchen, was für Sätze, mit wie vielen Stimmen solches Pack wieder rechnen kann."

Die Präferenzen von Köhler sieht man auch darin, dass Paul hochstilisiert wird, fast ein Märtyrer, während Mahlstein als gerechtes Opfer erscheint. Man sieht sie in tausenden kleinen Dingen und Erzählungen.

Abgesehen davon ist dieser Roman alles andere als eindimensional. Es wird die Vergangenheit und die Gegenwart erzählt, es werden die Sichtweisen verschiedener Charaktere im Scheinwerferlicht der Erzählung betrachtet. Es hat seine äußerst spannenden Phasen, genauso wie es zugleich romantisch oder einfach nur schön zu lesen sein kann, quasi etwas zum Genießen.
Hannes Köhler versteht sich nämlich meisterhaft darauf, (amerikanische) Landschaften in der Vorstellung des Lesers zum Leben zu erwecken.

Im Rückblick finde ich nur schade, dass es, anders als erwartet, so politisch war und dass der Konflikt oder, allgemeiner gesprochen, die Zukunft mit Wilma ungelöst bleibt, sodass das Ende etwas unbefriedigend für den Leser ist, der ein Happy End erwartet.
So hat der Roman einen passenden Titel erhalten; nach dem Lesen weiß man, warum.

Dieser Roman ist allein wegen des Sprachstils her schon äußerst gelungen, echte "lyrische Prosa".