Das ungewöhnliche Leben der Lili Kuhn

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kainundabel Avatar

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War das Bauhaus Thema in Tom Sallers gelungenem Debütroman „Wenn Martha tanzt“ , so bildet in seinem zweiten Roman das „ersterbende Blau“ und die Königliche Porzellan-Manufaktur in Berlin die Klammer der Handlung. Da treffen die jugendlich-schnoddrige Anja und die feinfühlige alte Dame Lili wie zwei sich abstoßende Pole aufeinander. Da haben sich zwei gefunden, ohne sich je gesucht zu haben. Das Wechselspiel der verschiedenen Zeitebenen von 1919 bis 1985 und die äußerst unterschiedlichen Charaktere bilden - gekonnt erzählt - den Spannungsbogen des Romans. Man erfährt viel über japanische Teezeremonien und die Historie der KPM, über das wechselvolle Leben der Protagonisten in der Weimarer Zeit und der unsäglichen Epoche des Nationalsozialismus. Es gelingt dem Autor konsequent, Empathien für die Protagonisten zu entwickeln und den Leser an ihrem persönlichen Schicksal teilnehmen zu lassen. Bei einigen Textstellen reibt man sich verwundert die Augen: Eigentlich im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte angesiedelt, erhalten sie einen beklemmend aktuellen Bezug zur Gegenwart. Beispiel gefällig? „Die Dummen hingegen begriffen wie immer gar nichts und ließen sich instrumentalisieren, um dann mit offiziellem Segen ihren hässlichen Instinkten freien Lauf zu lassen.“ (S. 356) Das sitzt!