Bewegende Geschichte über eine außergewöhnliche Frau

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INHALT
Als Lilis Mutter früh stirbt, kümmert sich ihr Vater Jakob rührend um sie. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet sie ihre Bestimmung: die Welt des Porzellans. Doch die Nationalsozialisten kommen an die Macht und Lili muss aus Berlin fliehen.
Fünfzig Jahre später lebt Lili wieder in Charlottenburg, zurückgezogen in ihrem Haus mit dem japanischen Garten. Sie spricht nicht viel über sich und ihr bewegtes Leben. Erst die 18-jährige Anja, widerspenstig und quer, kann Lili dazu bewegen, sich ihr zu öffnen. Stück für Stück enthüllt sich Lilis Geschichte, doch auch Anja hat ein Geheimnis. Welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet?
(Quelle: List Verlag)
MEINE MEINUNG
Nach seinem Debüt „Wenn Martha tanzt“ hat Tom Saller mit „Ein neues Blau“ erneut einen bewegenden und zugleich sehr lehrreichen Roman vorgelegt, der allerdings nicht ganz an sein Erstlingswerk heranreichen kann.
Der Autor erzählt in seiner fiktiven Geschichte die bewegende Biographie einer faszinierenden, jungen Frau. Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet er verschiedene Stationen im Leben von Lili und ihrer Familie nach – ihre Kindheit und Jugend, ihre Suche nach künstlerischer Selbstverwirklichung bis hin zu einem tragischen Schicksalsschlag, der sie für immer aus der Bahn werfen wird.
Die zwei sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelte Erzählstränge haben mich anfangs rasch in ihren Bann gezogen. In der in der Gegenwart angesiedelten Rahmenhandlung lernen wir etwas kauzige, zurückgezogen lebende Lili kennen und erfahren durch die Gespräche mit der jungen Anna allmählich immer neue Details über Lilis bewegter Vergangenheit und ihren späteren Weg als Porzellanmalerin der Königlichen Porzellan-Manufaktur. Auch die feinfühlige,nuancenreiche sprachliche Umsetzung von Lilis Geschichte, die oft ohne große Worte auskommt, vieles nur szenisch anreißt und der eigenen Interpretation freien Lauf lässt, ist außergewöhnlich und hat mir sehr gut gefallen.
Geschickt nimmt uns Saller mit auf eine faszinierende Zeitreise. Aufgrund vieler gut recherchierter Informationen und atmosphärisch dichter Beschreibungen kann man mühelos in diese spannende zeitgeschichtliche Epoche voller Umbrüche und Wandel eintauchen. Die interessanten Ausführungen des Autors, die im Anhang detaillierter erläutert sind, haben mich parallel zur Lektüre des Romans dazu angeregt, weitere Hintergründe zu einigen der angesprochenen Themen wie zB die japanische Teekultur und die Porzellanherstellung zu recherchieren. Obwohl der Autor uns durch Lilis persönliche Erinnerungen an vielen bedeutsamen Episoden aus ihrem berührenden Leben teilhaben lässt, erscheint diese facettenreich angelegte Hauptfigur leider eigentümlich blass, so dass ich mich bisweilen nicht gut in ihr Innenleben hineinversetzen und ihre Handlungen nicht nachvollziehen konnte.
Mitreißend und informativ ist diese Geschichte zu lesen, und konnte mich mit unvorhersehbaren Wendungen und überraschenden Enthüllungen insgesamt sehr fesseln, doch hätte ich mir etwas mehr Tiefe für die weibliche Hauptfigur gewünscht und gerne auch noch etwas mehr zu ihrer weiteren charakterlichen Entwicklung im Lauf der Zeitgeschichte erfahren.
FAZIT
Eine interessante, bewegende und mitreißende Geschichte über eine außergewöhnliche Frauenfigur im vorigen Jahrhundert, die mich aber leider nicht völlig überzeugen konnte!