Wunderbar geschrieben

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rinoa Avatar

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Lili verbringt eine ungewöhnliche Kindheit im Berlin der 20er und 30er Jahre. Die Mutter früh verstorben, lebt sie mit ihrem Vater Jakob und dem Halb-Japaner Takeshi unter einem Dach. Durch Zufall lernt sie den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur kennen und fortan spielt Porzellan in ihrem Leben eine große Rolle. Doch als die Nationalsozialisten an die Macht kommen muss Lili fliehen, denn sie ist zur Hälfte Jüdin.
Fünfzig Jahre nach ihrer Flucht lebt Lili wieder in Berlin, nach dem Tod von Takeshi allein und zurückgezogen. Die 18-jährige Anja soll eine Art Gesellschafterin für Lili werden und bald holt nicht nur die junge Frau die ältere Dame aus ihrem Schneckenhaus, auch für Anja sind die Nachmittage bei Lili bald viel mehr als nur ein Job.

Zu Beginn verneigt sich der Autor Tom Saller „vor zwei Meistern der deutschen Sprache“, nämlich Robert Walser und Erich Kästner, doch braucht er sich seinerseits diesbezüglich ebenfalls nicht zu verstecken. Mit viel Wortwitz, feinem Humor und einem klugen Blick auf die Welt breitet er das Leben von Lili vor dem Leser aus und schafft es ebenso, die 18-jährige Anja authentisch und realistisch darzustellen.
Wie ein Musiker auf seinem Instrument spielt Tom Saller mit der deutschen Sprache und schafft so seine ganz eigene Melodie: leicht, unaufdringlich, unterhaltsam und wunderschön.

Der Leser lernt 1985 zunächst Anja kennen; danach wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit ab. Die Kapitel mit Lilis Erinnerungen haben jeweils eine kleine Zusammenfassung ihres Inhalts in der Überschrift, was mir gut gefallen hat.
Lili wächst zu einer ungewöhnlichen und starken jungen Frau heran und immer wieder kommt sie mit Porzellan in Berührung, ihre Lebensgeschichte ist untrennbar mit diesem auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden Material verwoben.

Am Ende verweben sich auch Vergangenheit und Gegenwart, vieles löst sich auf, neue Verbindungen entstehen und sowohl Lili als auch Anja können sich glücklich schätzen, dass sich ihre Lebenswege gekreuzt haben.

Ich habe „Ein neues Blau“ sehr genossen, für mich sticht es besonders durch seine Sprache aus der Masse heraus und vermischt gekonnt Fakten und Fiktion, so dass ich beim Lesen auch viel Wissenswertes und Interessantes insbesondere zum Thema Porzellanherstellung erfahren habe. Darüber hinaus hat der Autor es geschafft, dass mir seine Figuren wirklich ans Herz gewachsen sind.
Von mir eine klare Leseempfehlung.